Das femoroacetabuläre Impingement - eine häufige Ursache des Leistensschmerz beim Sportler
Femoroacetabular Impingement – a Frequent Cause for Groin Pain in the Athlete
ZUSAMMENFASSUNG
Akute und chronische Leistenbeschwerden sind beim sportlich Aktiven ein häufig anzutreffendes Symptom, welches vielfältige Ursachen haben kann. Das Konzept des femoroacetabulären Impingements, welches in den letzten anderthalb Dekaden zunehmend Erkenntnisse über Hüftgelenksbeschwerden und ihre Therapie beim jungen Erwachsenen, aber auch über die Entwicklung einer bis anhin als primär oder idiopathisch bezeichneten Koxarthrose aufzeigte, gehört zu den bedeutsamen Ursachen, die dem mit dem Bewegungsapparat Befassten vertraut sein müssen. Neben knöchernen Formvarianten, die den acetabulären, femoralen oder beide Hüftgelenkspartner betreffen können, ist bei knöchern unauffällig konfigurierten Hüftgelenken ein femoroacetabuläres Impingement durch über das Normalmass hinausgehende Bewegungsamplituden auslösbar. Je nach zugrunde liegendem Pathomechanismus wird hierdurch das Labrum acetabulare bzw. der acetabuläre Knorpel in charakteristischer Weise geschädigt. Die anamnestischen Angaben des Patienten und die klinische Untersuchung können richtungsweisende Befunde liefern. Die komplementäre konventionellradiologische Bildgebung muss eine orthograde Beckenübersichts- sowie eine axiale Aufnahme des betroffenen Hüftgelenks umfassen. Die Ergänzung der Diagnostik durch eine radiäre Kernspintomographie oder -arthrographie ist bei entsprechendem Verdacht obligat. Die Therapie richtet sich nach der zugrundeliegenden Pathologie und kann eine Reduktion des Pfannenrands und/oder eine Rekonturierung des Femurkopf-/Schenkelhals-Übergangs über alternativ einen offenen, einen weniger invasiven oder arthroskopischen Zugang oder eine Reorientierung des Acetabulums mittels Triple-oder periacetabulärer Osteotomie umfassen. Die bisher publizierten therapeutischen Studien zeigen, dass eine rechtzeitige Diagnosestellung und Therapieeinleitung prognostisch bedeutsam sind.
Schlüsselwörter: Akuter und chronischer Leistenschmerz, femoroacetabuläres Impingement, Labrumpathologie, Hüftgelenksarthrose.
SUMMARY
Acute and chronic pain in the groin is a symptom frequently encountered in the young and active patient and may be caused by a variety of pathologies. One increasingly perceived reason for groin pain is femoroacetabular impingement (FAI), a recently described motion-dependent pathological condition. During the last 15 years, the concept based on FAI not only has lead to an improved understanding of what was so far called idiopathic osteoarthritis of the hip, but also has stimulated amelioration of diagnostic steps and development of therapeutic options for thesymptomatic hip in young adults. Health personnel occupied with the locomotor system should be familiar with the symptoms, diagnostics and therapeutic options in FAI. Besides osseous pathologies, which may be on the acetabular, femoral or both sides of the hip joint, a supraphysiologic range of motion, which is characteristic for certain sports activities, may lead to FAI. Depending on the underlying pathomechanism the acetabular labrum and cartilage are damaged in characteristic ways. Patient history and clinical investigation frequently is indicative. Conventional imaging comprises a true anteroposterior view of the pelvis and an axial view of the affected hip joint. Furthermore, radial magnetic resonance imaging or arthrography is mandatory. Therapeutic management comprises acetabulo-and femoral osteochondroplasty, which may be administered by open or minimally invasive open surgery as well as arthroscopically. In certain cases impingement pathology has to be addressed by acetabular reorientation (e.g., Tönnis’ or Ganz’ osteotomy). Published data show that timely diagnosis and treatment is pivotal for therapeutic success.
Key words: Acute and chronic groin pain, femoroacetabular impingement, labral pathologies, osteoarthritis of the hip
EINLEITUNG
Die untere Extremität ist mit etwa 70% die am häufigsten durch Sportverletzungen und Überlastungsschäden betroffene Körperregion (52). Neben dem Knie- und oberen Sprunggelenk spielt dabei die Leistenregion eine bedeutende Rolle in der Behandlung Sportverletzter. So liegt beispielsweise die jährliche Inzidenz von Leistenschmerzen bei Fussballspielern zwischen 5% und 18% (41). Die enge Nachbarschaft von bedeutsamen anatomischen Strukturen in der Leistenregion (Hüftgelenk, Adduktorenansätze, Leistenkanal, Bauchwand etc.) erfordert die gute Kenntnis einer Vielzahl möglicher Differenzialdiagnosen.Bereits in den 1960ern vermutete Murray, dass subtile Veränderungen des proximalen Femurs, welche im anteroposterioren Röntgenbild sichtbar sind, eine Coxarthrose nach sich ziehen können (40). Solomon und Mitarbeiter sowie Harris und Mitarbeiter kamen zu einem ähnlichen Schluss, ihnen war aber nicht möglich, zutreffende Angaben über den zugrunde liegenden Pathomechanismus zu machen (21, 51). Erst die Entwicklung einer sicheren Technik der chirurgischen Hüftluxation (15, 18) ermöglichte die Beobachtung und schliesslich die Beschreibung des der Coxarthrose vorangehenden Pathobiomechanismus - nämlich einem Impingement zwischen proximalem Femur und Acetabulumrand (16, 17). Dieses verursacht schon oft vor Arthrosebeginn akute oder chronische Leistenschmerzen bzw. Beschwerden in der Hüftgelenksregion. Wegen der vermuteten hohen Prävalenz ist die Kenntnis des femoroacetabulären Impingements (FAI) bzw. der zugehörigen diagnostischen Schritte und therapeutischen Optionen für den mit dem Bewegungsapparat Befassten für differenzialdiagnos -tische Überlegungen beim Leistenschmerz des Sportlers von elementarer Bedeutung.
PATHOBIOMECHANIK
Das Konzept des FAI beschreibt einen bewegungsinduzierten Konflikt zwischen Femurkopf-/Schenkelhals-Übergang und Pfannenrand und seine Auswirkungen auf das hierbei bedrängte Labrum acetabulare und weitere Regionen am Acetabulum bzw. Femurkopf-/Schenkelhals-Übergang (16). Es werden zwei Formen des FAI unterschieden.
Das FAI vom Nockenwellen-Typ („cam-type“) findet sich bei einer verminderten Taillierung des Femurkopf-/SchenkelhalsÜbergangs (die vorwiegend anterior bzw. anterolateral liegt), wodurch der Radius des resultierend asphärischen Hüftkopfs von zentral nach peripher zunimmt (Abb. 1A). Der asphärische Hüftkopf verdrängt beim Eindrehen in das Acetabulum z.B. bei Flexion oder Flexions-/Innenrotationsbewegungen das Labrum acetabulare und entfaltet einer Nockenwelle gleich Scherkräfte an dem dem Labrum benachbarten acetabulären Knorpel. Hierbei kommt es zu zunehmenden Schäden des acetabulären Knorpels, der sich in manchen Fällen vom subchondralen Knochen löst und wie ein Teppich vom initial häufig nicht geschädigten Labrum weggeschoben wird. Erst mit der Zeit kommt es zu einer sekundären Degeneration des anterosuperioren Labrums (17). In etwa einem Drittel der Fälle können sekundär auch Zysten („impingement cysts“, früher auch „herniation pits“ genannt) am Femurkopf-/Schenkelhals-Übergang als Folge des repetitiven Konflikts zwischen proximalem Femur und Pfannenrand entstehen (33).
Zunächst an in Fehlstellung verheilten Schenkelhalsfrakturen entdeckt (14), wurden auch andere Fehlformen des Femurkopf-/Schenkelhals-Übergangs als Ursache für ein Nockenwellen-induziertes FAI ausgemacht. Sowohl die Epiphyseolysis capitis femoris (11, 12, 31, 32), der M. Perthes (57) sowie die Hüftkopfnekrose (26) führen kurz- und langfristig zur Schädigung des dem Labrum acetabulare benachbarten acetabulären Knorpels und schliesslich des Labrums selbst. Auch eine Wachstumsstörung der Epiphysenfuge des proximalen Femurs wird als eine mögliche Ursache für die Entwicklung einer asphärischen Ausziehung am anterolateralen Femurkopf-/Schenkelhals-Übergang angenommen (50). Männer in der zweiten und dritten Lebensdekade sind häufiger als Frauen von einem Nockenwellen-Impingement betroffen (17).
Das FAI vom Beisszangen-Typ („pincer-type“) ist durch eine knöcherne Fehlform des Acetabulums charakterisiert, die zu einer „Über-Überdachung“ des Hüftkopfs führt. (Abb. 1B). Diese kann global – wie bei der Coxa profunda oder Protrusio acetabuli – oder regional – wie bei der Retroversion des Acetabulums (19, 47) oder dem prominenten hinteren Pfannenrand – vorliegen. Bei einem physiologisch konfigurierten Femurkopf-/Schenkelhals-Übergang kommt es bei Hüftgelenksbewegungen wegen der acetabulären Über-Überdachung vorzeitig zu einem schmalbandigen, linearen Kontakt der beiden Gelenkpartner, weswegen zunächst nur das Labrum degeneriert. Hierbei können sich sekundär Labrumganglien und -ossifikationen ausbilden. Der benachbarte acetabuläre Knorpel bleibt lange Zeit wenig beeinträchtigt. Frauen in der dritten und vierten Lebensdekade sind häufiger als Männer von einem Beisszangen-Impingement betroffen (17).
Im klinischen Alltag werden jedoch selten isolierte FAI-Formen, sondern vielmehr Kombinationen aus einem Nockenwellen- und Beisszangen-Impingement vorgefunden. Aus einer Untersuchung von Beck et al. kann auf eine Verteilung mit ca. 20% reinen Nockenwellen-, ca. 10% reinen Beisszangen- und ca. 70% kombinierten Formen geschlossen werden (2), wobei in Letzteren nach unserer Erfahrung die pathologische Formveränderung femoral häufig ausgeprägter als acetabulär ist.
Aber auch ohne knöcherne Fehlformen kann ein FAI stattfinden, insbesondere wenn bei sportlichen Aktivitäten das Hüftgelenk bis an die Grenzen seiner Bewegungsamplituden und darüber hinaus eingesetzt wird. Beispiele für solch supraphysiologische Bewegungsamplituden werden in Tabelle 1 aufgeführt.
EPIDEMIOLOGIE
Da das Konzept des FAI erst seit wenigen Jahren bekannt ist und seine Diagnostik und Therapie erst allmählich in den klinischen Alltag Eingang findet, liegen bisher keine gesicherten Daten zu seiner Inzidenz und Prävalenz vor. Aus einer Reihenuntersuchung an ca. 1100 Schweizer Rekruten weiss man jedoch, dass in ca. 15% der Fälle dieses Kollektivs eine Nockenwellen-Konfiguration am proximalen Femur vorliegt (M. Leunig, persönliche Mitteilung). An einer deutlich älteren Population von 1184 Männern und 2018 Frauen (Durchschnittsalter je ca. 60 Jahre) wurde eine Nockenwellen-Deformität bei 17% der Männer und bei 4% der Frauen belegt (20). Keogh und Batt gehen bei Leistungssportlern sogar von einer Prävalenz der Nockenwellen-Deformität von ca. 25% aus (25). Für die Prävalenz der Beisszangen-Deformität gibt es nur Hinweise aus einer kleinen Studienpopulation (46), sie dürfte ebenfalls bei ca. 15% liegen. Aussagen zur Prävalenz eines kombinierten FAI finden sich in der Literatur bisher nicht.
Für symptomatische Populationen muss jedoch eine wesentlich höhere Prävalenz des FAI vermutet werden, findet sich doch beispielsweise in einem Kollektiv von 155 jungen Patienten mit Hüftbeschwerden in 87% der Fälle mindestens ein radiologisches Zeichen für ein femoroacetabuläres Impingement (42).
ANAMNESE UND KLINISCHER BEFUND
Das zunächst nur nach aussergewöhnlichen Belastungen in Erscheinung tretende Beschwerdebild besteht aus einem Leistenschmerz, der häufig als Muskelschmerz, insbesondere als „Adduktorenzerrung“, fehlinterpretiert wird. Gelegentlich sind die Beschwerden mit Schmerzen am Trochanter major vergesellschaftet, seltener liegen alleinige trochantäre oder auch glutäale Beschwerden vor. Manche Patienten können die Beschwerdeauslösung einer bestimmten, plötzlichen Bewegung zuordnen (vor allem Flexions-/Innenrotationsbewegungen), andere wiederum berichten von einer Beschwerdeverschlechterung vor allem durch längere Zwangshaltungen mit gebeugtem Hüftgelenk (z.B. langes Sitzen, Autofahrten). Lange Belastungsphasen, wie mehrstündiges Wandern, oder starke Bewegungsamplituden während sportlicher Aktivitäten können zur Beschwerdeexazerbation führen, während eine diesbezügliche Karenz anfänglich eine Beschwerderegression nach sich ziehen kann. Wie oben bereits ausgeführt, findet sich der Erkrankungsbeginn wegen der zugrundeliegenden knöchernen Formabweichung bei Männern häufiger in der dritten Lebensdekade, während er bei Frauen eher in der vierten Lebensdekade zu liegen kommt. In der Anamneseerhebung lassen insbesondere vorangegangene, die Beschwerden nicht beeinflussende Eingriffe wie Leistenherniotomien, Kniegelenksarthroskopien und seltener Laparoskopien sowie Operationen an der Lendenwirbelsäule aufhorchen.
In der klinischen Untersuchung kann eine Einschränkung der Innenrotation und weniger der Flexion sowie der Abduktion in Erscheinung treten. Charakteristisch hingegen ist bei einer Vielzahl von Patienten ein positiver ventraler Impingement-Provokationstest (37). Hierfür wird das Hüftgelenk in Beugung forciert innenrotiert und adduziert (Abb. 2A). Beklagt der Patient während dieses Manövers die Auslösung eines typischerweise messerscharfen Leistenschmerzes, so ist ein Konflikt zwischen Femurkopf-/SchenkelhalsÜbergang und anterosuperiorem Pfannenrand sehr wahrscheinlich. Seltener anzutreffen ist ein Konflikt zwischen Femurkopf-/Schenkelhals-Übergang und posteroinferiorem Pfannenrand, der durch forcierte Aussenrotation und Abduktion in Streckung bzw. Überstreckung ausgelöst werden kann (Abb. 2B). Dieses Manöver wird als dorsaler Impingement-Provokationstest bezeichnet (34).
Die differenzialdiagnostisch bedeutsamen inguinalen und extrainguinalen Ursachen des chronischen Leistenschmerzes finden sich in einer in dieser Zeitschrift früher publizierten Übersichtsarbeit ausführlich dargestellt (3), weswegen an dieser Stelle darauf verwiesen werden soll.
BILDGEBENDE UND WEITERFÜHRENDE DIAGNOSTIK
Die bildgebende Diagnostik besteht aus einer Beckenübersichtsaufnahme und einer axialen Aufnahme des betroffenen Hüftgelenks. Für die Beckenübersicht ist auf eine streng orthograde Projektion zu achten, d.h. die Spitze des Os coccygis sollte auf die Symphyse zeigen und der Abstand zwischen sacrococcygealem Gelenk und Symphyse für Männer etwa 3 cm und für Frauen etwa 4,5 cm betragen (53). Damit erlaubt die Beckenübersichtsaufnahme nicht nur die Beurteilung der lateralen Überdachung des Hüftkopfs, sondern kann auch Auskunft über die Tiefe des Acetabulums sowie den Verlauf des vorderen und hinteren Pfannenrands geben. Letzteres ermöglicht Rückschluss auf die Relation der ventralen und dorsalen Begrenzung und damit der Version des Acetabulums (22, 23). Des Weiteren kann am coxalen Femurende die Taillierung des lateren Femurkopf-/Schenkelhals-Übergangs beurteilt werden (Abb. 3A). Für die Beurteilung des anterioren bzw. anterolateralen Femurkopf-/Schenkelhals-Übergang wird die axiale Aufnahme des betroffenen Hüftgelenks herangezogen (Abb. 3B und 3C). Der Vergleich verschiedener axialer Aufnahmen hat gezeigt, dass eine Taillierungsstörung am prominentesten in einer modifzierten Dunn-Aufnahme in Erscheinung tritt (38). Im klinischen Alltag sind jedoch die Lauenstein-Aufnahme (Abb. 3B) sowie die sog. „cross table“ - Aufnahme nach Sven-Johannson (Abb. 3 C) geläufig (6, 9, 55).
Weil frühe Schädigungen des Labrum acetabulare bzw. des benachbarten Knorpels in konventionellen Röntgenaufnahmen nicht detektiert werden können, ist eine Kernspintomographie oder –arthrographie obligat (29, 35, 36). Eine zum Labrum bzw. Acetabulum lotrechte Schnittführung (radiäre MRT bzw. MRA) ermöglicht die exakte Beurteilung der Labrumkonfiguration an der gesamten Acetabulumzirkumferenz. Während früher eine intraartikuläre Kontrastmittelgabe als conditio sine qua non für die exakte Beurteilbarkeit des Labrums bzw. des Hüftgelenkknorpels gesehen wurden, können neue 3,0 Tesla – Feldstärke-Kernspintomographen ohne Kontrastmittelgabe sehr präzise Abbildungen der Labrum- und Knorpelsituation liefern (Abb. 4).
Gelegentlich ist eine Bildwandler-gestützte, intraartikuläre Anästhetikumgabe hilfreich, einen intra- von einen periartikulären Schmerz zu unterscheiden.
THERAPEUTISCHE OPTIONEN
Die exakte Beschreibung der pathobiomechanischen Prozesse des femoroacetabulären Impingements war nur durch die Entwicklung einer sicheren, die Hüftkopfperfusion erhaltenden Technik der chirurgischen Hüftluxation möglich (15, 18). Sie erlaubt eine 360°-Sicht über das Acetabulum bzw. den Pfannenrand sowie den Femurkopf-/Schenkelhals-Übergang. Sie wird über eine Trochanter-Flip-Osteotomie und anschließende Z-förmige, ventrale Kapsulotomie durchgeführt. Hierdurch ist eine Refixation oder Resektion eines geschädigten Labrums sowie die Behandlung von etwaigen acetabulären Knorpelschäden möglich. Des Weiteren kann durch eine Reduktion des knöchernen Pfannenrandes bzw. am Femurkopf-/Schenkelhals-Übergang (Abb. 5) je nach vorliegender knöcherner Formgebungsstörung der Bewegungsspielraum des betroffenen Hüftgelenks erhöht und damit ein vorzeitiges Anschlagen des proximalen Femurs am Pfannenrand vermieden werden. Weil die Trochanter-Flip-Osteotomie eine Entlastung der operierten unteren Extremität bis zur Knochenheilung erfordert, wurde früh versucht, die am Femurkopf-/Schenkelhals-Übergang häufig ausschließlich anterolateral gelegene Störung der knöchernen Formgebung über einen weniger invasiven anterioren Zugang zu therapieren (28). Nachteil dieses Vorgehens ist eine ungenügende bzw. fehlende Einsicht in das Acetabulum, weswegen es um eine Distraktion des Hüftgelenks mit Arthroskopie des Acetabulums ergänzt wurde (28).
Mittlerweile hat die alleinige Hüftarthroskopie wegen der technischen Weiterentwicklung des dafür benötigten Instrumentariums jedoch deutlich an Bedeutung gewonnen und wird von vielen Autoren sogar als Alternative zum offenen Vorgehen gesehen (8, 24, 44, 48). Über die Hüftarthroskopie können sowohl resezierende als auch zunehmend rekonstruierende Maßnahmen an Acetabulum, Labrum und Femurkopf-/Schenkelhals-Übergang durchgeführt werden (Abb. 6). Neben der arthroskopischen Refixation eines degenerierten Labrum acetabulare (27) ist beispielsweise seit Kurzem eine Technik für seine Rekonstruktion durch ein autogenes Tractus iliotibialis - Transplantat beschrieben (45). Vorteil der Hüftgelenksarthroskopie ist eine zumeist kurze Rekonvaleszenz-Phase, wenn keine Ersatzknorpel-bildenden Massnahmen (die eine 6-wöchige Entlastung nötig machen) durchgeführt werden. Bedeutendste Nachteile sind der hohe technische Aufwand inklusive der Lagerung auf einem Extensionstisch, um über eine Hüftgelenksdistraktion das zentrale Hüftgelenkskompartiment darstellen zu können, sowie die für die Durchführung der Arthroskopie nötige Erfahrung, die über eine flache Lernkurve erarbeitet werden muss.
Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass die dargestellten therapeutischen Optionen für die Behandlung eines Patienten individuell und sorgfältig anhand der vorliegenden Pathologie, aber auch den operationstechnischen Möglichkeiten abgewogen werden können. Zusätzlich muss für besonders gelagerte Fälle auch die Alternative einer Acetabulum-reorientierenden Osteotomie zur Verfügung stehen (13, 56), wenn die Reduktion eines anterior prominenten Acetabulumrands bei einem lokalen Beisszangen-Impingement mit einer Verbesserung eines posterioren Überdachungsdefizits verknüpft werden muss (49).
ERGEBNISSE
Eine erste mittelfristige Nachuntersuchung der offene Behandlung des FAI wurde 2004 von Beck et al. präsentiert (1). Von 19 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 36 Jahren (Spanne: 21 bis 52 Jahre) erzielten 13 ein exzellentes bis gutes Ergebnis durchschnittlich 4,7 Jahre nach erfolgtem Eingriff, allerdings mussten auch fünf der Patienten in diesem Zeitraum mit einer Hüfttotalendoprothese versorgt werden. Murphy et al. präsentierten im selben Jahr die mittelfristigen Ergebnisse von 23 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 35 Jahren (Spanne: 17 bis 54 Jahre) nach durchschnittlich 5,2 Jahren (39). Fünfzehn der Patienten benötigten keine weiteren Eingriffe, dagegen mussten acht Patienten mit einer Hüfttotalendoprothese versorgt werden (allerdings erst sechs bis neun Jahre nach der offenen FAIBehandlung). Eine kürzlich erschienene Übersichtsarbeit wertete elf Studien aus, in denen Aussagen zu klinischen Ergebnissen nach FAI-Behandlung getroffen wurden und einen Nachuntersuchungszeitraum von mindestens zwei Jahren aufwiesen (7). Dabei konnten sowohl Arbeiten mit offenem, wenig invasivem und arthroskopisch unterstütztem sowie alleinig arthroskopischem Vorgehen, als auch eine Arbeit mit Pfannenreorientierung über eine periacetabuläre Osteotomie eingeschlossen werden. Zusammenfassend zeigte sich nach einem durchschnittlichen Nachuntersuchungszeitraum von 3,2 Jahren, dass 68% bis 96% der 472 behandelten Patienten mit einem Durchschnittsalter von 35 Jahren eine Schmerzreduktion und Funktionsverbesserung erfahren hatten. Die Implantation einer Hüfttotalendoprothese war in 0% bis 26% der Patienten nötig geworden. Prognostisch ungünstig waren ein höheres Lebensalter, eine fortgeschrittenere Arthrose bzw. fortgeschrittenere Knorpelschäden sowie stärkere Beschwerden zum Zeitpunkt der Operation. Günstig für die Prognose, zumindest aber für das kurzfristige klinische Ergebnis, scheint hingegen eine Refixation des Labrum acetabulare zu sein. Dies konnte sowohl für das offene als auch für das arthroskopische Vorgehen gezeigt werden (10, 27).
Während die vorgenannten Studien Patienten erfassten, über deren sportliche Aktivitäten keine Angaben gemacht werden, berichteten Bizzini et al. über fünf Schweizer Erstliga-Eishockey-Spieler mit einem Durchschnittsalter von 21 Jahren, deren Nockenwellen-Impingement über eine chirurgische Hüftluxation therapiert wurde. Sie konnten nach durchschnittlich 6,7 Monaten zur vollen Trainingsbelastung und nach durchschnittlich 9,6 Monaten zum Wettkampfeinsatz zurückkehren. Nach durchschnittlich 2,7 Jahren waren drei der Eishockey-Spieler noch in der Ersten Liga aktiv (4). Phillipon et al. berichteten über 45 Profisportler mit einem Durchschnittsalter von 31 Jahren, deren FAI arthroskopisch therapiert wurde (43). Bei einem durchschnittlichen Nachuntersuchungszeitraum von 1,6 Jahren waren 78% der Athleten in ihrer angestammten Sportart weiter aktiv. Brunner et al. zeigten 2009 nach durchschnittlich 2,4 Jahren, dass von 45 Freizeitsportlern nur noch vier unmittelbar vor arthroskopischer Therapie ihres Nockenwellen-betonten Impingements das gewohnte Aktivitätsniveau halten konnten, dagegen nach dem Eingriff 31 der 45 Patienten wieder zum gewohnten Aktivitätsniveau zurückgekehrt waren (5).
FAZIT FÜR DIE PRAXIS
Anhand der bisher bekannten epidemiologischen Daten muss davon ausgegangen werden, dass das FAI eine bedeutende Ursache für Hüftgelenksbeschwerden des jungen, aktiven Erwachsenen sowie für die Entwicklung einer bis anhin als idiopathisch bezeichneten Coxarthrose ist. Auf ein FAI hinweisende anamnestische Angaben (inguinale und trochantäre Schmerzen, sportliche Aktivitäten mit raschen Richtungswechseln und hohen bzw. supraphysiologischen Bewe gungsamplituden) sollten unter Einbeziehung der bedeutsamen Differenzialdiagnosen eine gründliche diagnostische Aufarbeitung mittels körperlicher Untersuchung (Bewegungsausmass, Impingement-Provokationstests), konventioneller Bildgebung (orthograde Beckenübersicht, axiale Aufnahme) und radiärer Kernspintomographie nach sich ziehen. Da häufig kombinierte FAI-Formen vorliegen, ist eine sorgfältige Abwägung des therapeutischen Vorgehens unabdingbar und sollte neben einem offenen, wenig invasiven und arthroskopischen Zugang zum betroffenen Hüftgelenk in besonders gelagerten Fällen auch eine reverse Pfannenreorientierung (z.B. Triple- oder periacetabuläre Osteotomie) mit einbeziehen. Bedeutsam für den weiteren Verlauf ist eine rechtzeitige Diagnosestellung und Therapieeinleitung, um sekundärarthrotische Veränderungen des betroffenen Hüftgelenks zu vermeiden oder gering zu halten.
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- Impingement and childhood hip disease. J Pediatr Orthop B 15 (2006) 233 - 243.
Dr. med. Christian R. Fraitzl
Orthopädische Universitätsklinik Ulm
Oberer Eselsberg 45
89081 Ulm
E-Mail: christian.fraitzl@uni-ulm.de