Biskuspide Aortenklappe und Sporttauglichkeit
Bicuspid Aortic Valve and Sports Capability
ZUSAMMENFASSUNG
Mit einer Prävalenz von 1- 2% ist die bikuspide Aortenklappe die häufigste angeborene Anomalie des Herzens. Da bikuspide Aortenklappen sowohl mit Insuffizienzen und/oder Stenosen und daraus resultierenden pathologischen linksventrikulären Dimensions- und Funktionsveränderungen als auch mit einer Dilatation der Aorta ascendens einhergehen können, sind sie aufgrund des damit verbundenen erhöhten Risikos für den plötzlichen Herztod beim Sport in der Sportmedizin von besonderer Bedeutung. Zur Risikostratifizierung sind bei Sportlern regelmäßige echokardiographische Kontrollen und Belastungsuntersuchungen notwendig. Bei asymptomatischen Sportlern mit bikuspider Aortenklappe ohne Aortendilatation, leichtgradigen Aortenklappenvitien sowie normaler Herzgröße und Funktion besteht uneingeschränkte Sporttauglichkeit. Liegt zusätzlich eine Aortendilatation vor, hängt die Sporttauglichkeit vom Ausmaß der Dilatation ab. Bei bikuspiden Aortenklappen mit höhergradige Stenosen bzw. Insuffizienzen ist die Sporttauglichkeit bei asymptomatischen Sportlern vom Ausmaß des Vitiums, den linkventrikulären Dimensionen und Funktionen sowie von eventuellen Herzrhythmusstörungen abhängig. Bei symptomatischen bikuspiden Aortenklappen besteht keine Tauglichkeit für Wettkampfsport.
EINLEITUNG
Mit einer Prävalenz von 1- 2% ist die bikuspide Aortenklappe die häufigste angeborene Fehlbildung des Herzens, die durch eine unvollständige Trennung oder Fehlanlage der drei Taschenklappen bedingt ist. Aufgrund der abnormalen Taschenklappenarchitektur können hieraus sowohl eine Aortenklappeninsuffizienz als auch eine Aortenklappenstenose resultieren. Im Kindes- und Jugendalter besteht meist noch eine gute Beweglichkeit und Dehnbarkeit der Taschenklappen mit erhaltener Klappenfunktion, so dass bikuspide Aortenklappen nicht zwangsweise mit einem auskultatorischen Befund oder klinischen Symptomen einhergehen müssen. Hämodynamisch relevante Stenosen und Insuffizienzen entstehen häufig erst im Verlauf durch degenerative Veränderungen. Im Rahmen von sportmedizinischen Screeninguntersuchungen stellen bikuspide Aortenklappen in der Regel echokardiographische Zufallsbefunde bei leistungsfähigen und asymtpomatischen Sportlern dar (5, 6). Meist liegt eine funktionell bikuspide Aortenklappe vor, am häufigsten mit Raphe zwischen rechts- und linkskoronarer Taschenklappe, gefolgt von Befunden mit Raphe zwischen rechts- und akoronarer Taschenklappe. Seltener handelt es sich um eine echte bikuspide Aortenklappe mit lediglich zwei Taschenklappen.
BEDEUTUNG IN DER SPORTMEDIZIN
In der Sportmedizin kommt der bikuspiden Aortenklappe eine besondere Bedeutung zu, weil diese neben der Ausbildung von Aortenklappenstenosen und -insuffizienzen ein erhöhtes Risiko für Aortendilatationen, Aortenaneurysmen sowie Aortendissektionen birgt und Aortenklappenstenosen und Aortenrupturen für etwa 7 % der plötzlichen Herztodesfälle von Sportlern unter 40 Jahren verantwortlich sind (3). Als Ursache der häufig mit bikuspiden Aortenklappen assoziierten Dilatation der Aorta ascendens werden beschleunigte degenerative Prozesse der Media der Aorta angenommen, die u. a. auch genetisch bedingt zu sein scheinen und mit einer erhöhten Apoptoserate der glatten Gefäßmuskelzellen und elastischen Fasern der Aorta einhergehen. Deshalb sind bei Sportlern mit bikuspider Aortenklappe auch ohne hämodynamisch relevante Stenosen oder Insuffizienzen regelmäßige echokardiographische Kontrollen mit Beurteilung der Aorta ascendens notwendig.
BIKUSPIDE AORTENKLAPPE UND SPORTTAUGLICHKEIT
In die Beurteilung der Sporttauglichkeit bei bikuspider Aortenklappe müssen neben der Klappenfunktion und der Aorta ascendens auch die linksventrikulären Dimensions- und Funktionsparameter (Kammerwanddicken und Muskelmassen-Index, enddiastolischer Durchmesser [LV-EDD], enddiastolisches und endsystolisches Volumen, systolische und diastolische Funktion) einbezogen werden. Allerdings sind hierbei sportbedingte, physiologische Adaptationen des Sportherzens nicht immer zweifelsfrei von pathologischen Veränderungen des Herzens zu unterscheiden, so dass die Beurteilung von kardiologisch geschulten Sportmedizinern oder sportmedizinisch erfahrenen Kardiologen erfolgen sollte (6).
Ergänzend zu den aktuell gültigen Empfehlungen zur Sporttauglichkeit bei bikuspider Aortenklappe (1, 2, 4; Tab. 1) sei die Längsschnittuntersuchung mit dem bisher längsten Beobachtungszeitraum erwähnt (7). In dieser retrospektiven Studie wurden von 8000 sportmedizinisch untersuchten Wettkampfsportlern 81 Athleten (mittleres Alter 23±6 Jahre) mit bikuspider Aortenklappe identifiziert (7). Hiervon wurden 51 Athleten als sporttauglich mit niedrigem Risiko eingestuft (mittlerer Druckgradient über der Aortenklappe <20 mmHg, Durchmesser Aortenwurzel < 40 mm; leichte Aortenklappeninsuffizienz; LV-EDD < 60 mm, keine Herzrhythmusstörungen, asymptomatisch). Während eines mittleren Beobachtungszeitraums von 13 Jahren traten bei 12 % (6 von 51) Komplikationen in Form einer Verschlechterung der Aortenklappenfunktion und/oder klappenbedingter Symptome mit daraus resultierendem Verbot für Wettkampfsport auf, ohne dass jedoch Aortenklappenoperationen indiziert waren oder plötzliche Herztodesfälle eintraten (7). Im Gegensatz dazu war bei 11 nachverfolgbaren Sportlern mit bikuspider Aortenklappe und hohem Risiko (mittlerer Druckgradient über der Aortenklappe > 20 mmHg, Durchmesser Aortenwurzel ≥ 40 mm; mittelschwere bis schwere Aortenklappeninsuffizienz; LV-EDD > 60 mm) trotz Wettkampfsportverbot die Rate einer sich verschlechternden Klappenfunktion mit Indikation zum Aortenklappenersatz sowie des plötzlichen Herztodes innerhalb eines mittleren Beobachtungszeitraums von 10 Jahren erhöht (7).
Hinsichtlich der einleitend genannten Prävalenz der bikuspiden Aortenklappe kann davon ausgegangen werden, dass diese auch für leistungsfähige Sportler zutrifft. In einer sportmedizinischen Screeninunguntersuchung an 345 angehenden Elite-Sportschülern im Alter zwischen 10 und 15 Jahren war in 5 Fällen eine bis dahin nicht bekannte, asymptomatische bikuspide Aortenklappe als echokardiographischer Zufallsbefund nachweisbar (5). Hierbei konnte in einem Fall aufgrund einer zusätzlichen, körperdimensionsbezogen relevanten Dilatation der Aorta ascendens keine Tauglichkeit für Wettkampfsport attestiert werden.
EMPFEHLUNGEN
Die Empfehlungen zur Wettkampftauglichkeit sowie sportlichen Belastbarkeit für Sportler bzw. Patienten mit bikuspider Aortenklappe und ggf. Aortendilatation sind in Tabelle 1 aufgeführt. Sollten Sportler mit bikuspider Aortenklappe zusätzlich eine Aorten klappenstenose und/oder -insuffizienz aufweisen, sind ergänzend die Empfehlungen für Sportler mit Aortenklappenstenose bzw. -insuffizienz zu berücksichtigen, die detailliert in (1, 2, 4) beschrieben sind. In allen Fällen sind regelmäßige sportmedizinische Kontrolluntersuchungen einschließlich Echokardiographie und Belastungs-EKG indiziert (je nach Schweregrad in mindestens jährlichen Abständen). Für Sportler oder Patienten mit Marfan-Syndrom und Aortendilatation und/oder Aorteninsuffizienz gelten eigenständige Empfehlungen (1, 2, 4).
FAZIT
Bei sportmedizinischen Untersuchungen von Athleten mit bikuspider Aortenklappe ist neben der Bewertung der Klappenmorphologie und -funktion sowie der kardialen Dimensions- und Funktionsparameter die Beurteilung der Aorta ascendens erforderlich. Hierdurch ist eine grobe Abschätzung zwischen niedrigem und hohem kardiovaskulären Risiko möglich. Regelmäßige sportmedizinische bzw. sportkardiologische Kontrolluntersuchungen einschließlich Echokardiographie und Belastungs-EKG in mindestens jährlichen Abständen werden sowohl für Wettkampfsportler als auch für Gesundheitssportler empfohlen.
Angaben zu finanziellen Interessen und Beziehungen wie Patente, Honorare oder Unterstützung durch Firmen: Keine.
LITERATUR
- 36th Bethesda conference eligibility recommendations for competitive athletes with cardiovascular abnormalities. Task Force 3: valvular heart disease. J Am Coll Cardiol 45 (2005) 1334 - 1340.
- Angeborene Herzerkrankungen. In: Kindermann W, Dickhuth HH, Niess A, Röcker K, Urhausen A (Hrsg): Sportkardiologie, 2. Auflage. Steinkopff-Verlag, Darmstadt, 2007, 137 - 154.
- Cardiovascular disease in athletes. In: Zipes D, Libby P, Bonow R, Braunwald E (Edts): Braunwald's Heart Disease: a textbook of cardiovascular medicine (7th Edition). Elsevier Saunders, Philadelphia, USA, 2005, 1985 - 1991.
- Recommendations for competitive sports participation in athletes with cardiovascular disease: a consensus document from the Study Group of Sports Cardiology of the Working Group of Cardiac Rehabilitation and Exercise Physiology and the Working Group of Myocardial and Pericardial Diseases of the European Society of Cardiology. Eur Heart J 26 (2005) 1422 - 1445.
- Electrocardiographic and echocardiographic findings in young elite athletes between 10 and 15 years of age. Eur J Cardiovasc Prev Rehab 17, Suppl.2 (2010) S59, 296.
- Bicuspid aortic valve - Evaluation of the ability to participate in competitive sports: case reports of two soccer players. Clin Res Cardiol 95 (2006) 228 - 234.
- The natural course of bicuspid aortic valve in athletes. Int J Sports Med 29 (2008) 81 - 85.
PD Dr. med. Jürgen Scharhag
Hochschulambulanz, Zentrum für Sportmedizin
Universität Potsdam
Am Neuen Palais 10, Haus 12
14469 Potsdam
E-Mail: scharhag@uni-potsdam.de