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Fortsetzung Achillessehnen-Tendinopathie: Heilung durch Belastung

Heilung nur unter hoher Belastung der Sehne möglich

Die Behandlung hat zum Ziel, den Stoffwechsel im verletzten Bereich anzukurbeln, damit der Heilungsprozess in Gang gesetzt wird. Dazu braucht es als Grundlage ein Hochlasttraining (»Tendoloading«) für die Achillessehne. Klassischerweise kommen exzentrische Übungen zum Einsatz. Die am besten untersuchte Übung mit der besten Evidenz ist der exzentrische »Heel-Drop« (4). Dabei steht der Patient je nach Schmerz und Trainingszustand einoder beidbeinig mit dem Vorfuß auf einer Treppenstufe. Nun lässt er die Ferse nach unten sinken und drückt sich dann bis in den maximalen Zehenstand. Empfohlen sind 30 Wiederholungen dreimal pro Tag. Da diese Trainingsform recht eintönig ist, ist die Compliance langfristig häufig gering.

Eine andere gezielte Belastungsform ist etwa das Heavy Slow Resistance Training (HSRT), bei dem mit Unterstützung von Geräten oder Gewichten dreimal pro Woche geübt wird. Silbernagel und Crossley (6) haben ein mögliches Programm für den Return-to-Sport auf Basis von klinischen Studien veröffentlicht. Egal, welche Form gewählt wird: Die Mitarbeit des Patienten sowie eine hohe Belastung der Sehne ist entscheidend. »Meist empfinden Patienten die ersten beiden Wochen als mühsam. Nach etwa sechs Wochen tritt oft eine deutliche Besserung ein. Und dann heißt es unbedingt weitermachen, denn Sehnengewebe heilt sehr langsam«, erklärt Prof. Hirschmüller.

Ergänzende Therapieverfahren

Je nach Vorgeschichte kann eine Lauf- oder Ganganalyse bei der Erkennung schädlicher, die Achillessehne belastender Bewegungsmuster hilfreich sein. Fuß-Fehlstellungen können mit Hilfe von Einlagen oder speziellem Schuhwerk korrigiert werden. Zwei weitere Verfahren, die bei einer Achillessehnen-Tendinopathie eingesetzt werden, sind Stoßwellentherapie und Plättchenreiches Plasma (PRP). Zwar ist die Evidenz hier noch nicht ausreichend, um sie grundsätzlich zu empfehlen, aber sowohl Prof. Hirschmüller als auch Dr. Laps berichten von guten klinischen Ergebnissen. Eine randomisierte Kontrollstudie (5) verglich über 12 Wochen hinweg zwei Gruppen.

Gruppe 1 übte nur mit exzentrischem Training, Gruppe 2 erhielt zusätzlich drei Stoßwellenbehandlungen. Der VISA-A-Score, mit dem Schmerz, Funktion und Aktivität abgebildet werden kann, verbesserte sich signifikant in beiden Gruppen vom Ausgangswert 50 (Gruppe 1: exzentrisch) bzw. 51 (Gruppe 2: exzentrisch plus Stoßwelle) auf 73,0 bzw. 86,5. Hinsichtlich des Parameters Schmerz verbesserten sich beide Gruppen ebenfalls signifikant, Gruppe 2 jedoch stärker. Aus Gruppe 1 gaben 56 Prozent an, dass ihr Zustand »stark verbessert« oder »vollkommen wiederhergestellt« sei, in Gruppe 2 waren es 82 Prozent. Die Kombination aus exzentrischem Training und Stoßwellenbehandlung scheint demnach sinnvoll. Ein Review hingegen findet überwiegend geringe bis sehr geringe Evidenz für diese Kombinationstherapie (3). Bei Insertionstendinopathien ist die Datenlage hinsichtlich Stoßwelle besser und die Evidenz höher.

PRP – Plättchenreiches Plasma

Auch zum Einsatz von PRP ist sich die Wissenschaft noch uneins. »Die Datenlage ist bei der Achillessehne nicht so gut wie für die Behandlung der Plantarfaszie, aber unsere klinische Erfahrung zeigt, dass insbesondere leukozytenarmes Plasma gut funktioniert«, sagt Prof. Hirschmüller. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine randomisierte Kontrollstudie, in der die Probanden zusätzlich zu exzentrischem Training vier PRP-Injektionen mit leukozytenarmem Plasma (oder Placebo) im Abstand von jeweils 14 Tagen erhielten (1). Andere Untersuchungen fanden geringere Effekte, die Prof. Hirschmüller auf uneinheitliche Studien-Szenarien zurückführt: »Hier ist zu beachten, dass sehr viele unterschiedliche Protokolle zur Herstellung des Plasmas genutzt werden. Manche verwenden leukozytenreiches, andere leukozytenarmes Plasma. Auch wie oft, in welchem Abstand und wohin es gespritzt wird, kann ausschlaggebend sein. Wird unter Ultraschallkontrolle injiziert, kann die betroffene Stelle natürlich besser lokalisiert werden, als wenn das nach Gefühl erfolgt.«

Exzentrisches Belastungstraining bleibt weiterhin der Goldstandard in der Behandlung einer Achillessehnen-Tendinopathie. Welche Methoden gegebenenfalls zusätzlich zum Einsatz kommen, hängt auch vom Patientenwunsch ab. »Es sollte berücksichtigt werden, was der Patient anstrebt, welches Leistungsniveau er hatte und wohin er zurück möchte. Manche sind zufrieden damit, die Eigenübungen durchzuführen, andere wollen alle Möglichkeiten ausschöpfen. Entscheidend ist auch, wie lange die Beschwerden schon andauern und ob vor einer OP als letzter Option alle Register gezogen werden sollen«, sagt Dr. Laps.

Die OP hat ihre Berechtigung

Wenn sämtliche konservativen Therapieversuche trotz hoher Compliance nach mindestens sechs Monaten keine zufriedenstellende Besserung zeigen, »dann ist die Operation auf jeden Fall gerechtfertigt und hat eine gute Prognose«, macht Prof. Hirschmüller deutlich. Bei der OP wird das degenerativ veränderte Gewebe entfernt. Durch diesen Reiz kann die Heilung und Bildung gesunder Sehnenstruktur beginnen. Sowohl offene als auch minimalinvasive endoskopische Techniken (Tenoskopie) werden je nach Schwere und zugrunde liegender Pathologie durchgeführt. In jedem Fall sind die Zeiten vorbei, in denen Entlastung bis zur Schmerzfreiheit oder Schienen bzw. Orthesen zur Ruhigstellung als sinnvoll betrachtet wurden. Die Sehne braucht Belastung, um zu heilen.

Dr. Guido Laps, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie
Dr. Guido Laps, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit den Zusatzbezeichnungen Sportmedizin  / Chirotherapie und Spezialist für Fuß-/Sprunggelenk sund komplexe Achillessehnenchirurgie © Karsten Büll

Hutterer C

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Quellen:

  1. Boesen AP, Hansen R, Boesen MI, Malliaras P, Langberg H. Effect of High-Volume Injection, Platelet-Rich Plasma, and Sham Treatment in Chronic Midportion Achilles Tendinopathy: A Randomized Double-Blinded Prospective Study. Am J Sports Med. 2017; 45: 2034-2043. doi:10.1177/0363546517702862

  2. Cook JL, Purdam CR. Is tendon pathology a continuum? A pathology model to explain the clinical presentation of load-induced tendinopathy. Br J Sports Med. 2009; 43: 409-416. doi:10.1136/bjsm.2008.051193

  3. Korakakis V, Whiteley R, Tzavara A, Malliaropoulos N. The effectiveness of extracorporeal shockwave therapy in common lower limb conditions: a systematic review including quantification of patient-rated pain reduction. Br J Sports Med. 2018; 52: 387-407. doi:10.1136/bjsports-2016-097347

  4. Magnussen RA, Dunn WR, Thomson AB. Nonoperative treatment of midportion Achilles tendinopathy: a systematic review. Clin J Sport Med. 2009; 19: 54-64. doi:10.1097/JSM.0b013e31818ef090

  5. Rompe JD, Furia J, Maffulli N. Eccentric loading versus eccentric loading plus shock-wave treatment for midportion achilles tendinopathy: a randomized controlled trial. Am J Sports Med. 2009; 37: 463-470. doi:10.1177/0363546508326983

  6. Silbernagel KG, Crossley KM. A Proposed Returnto-Sport Program for Patients With Midportion Achilles Tendinopathy: Rationale and Implementation. J Orthop Sports Phys Ther. 2015; 45: 876-886. doi:10.2519/jospt.2015.5885