Sportmedizin im Wandel
ÜBERSICHT
Sport und Geburtsschmerz

Analgetische Effekte körperlich-sportlicher Aktivität auf den Geburtsschmerz

Analgetic Effects of Physical Activity on Labour Pain

ZUSAMMENFASSUNG

Problemstellung: Akute als auch langfristige Effekte körperlicher und sportlicher Aktivität auf verschiedene Schmerzzustände sind hinreichend belegt. Die vorliegende Arbeit untersucht, (i) ob körperliche Aktivität während der Schwangerschaft einen präventiven Effekt auf den Geburtsschmerz hat und (ii) körperliche Betätigungen unter der Geburt analgetisch wirksam sind.
Methoden: Es wurde eine systematische Literaturrecherche in den Datenbanken Pubmed, SportDiscus und PsycInfo durchgeführt, um nationale und internationale Artikel über Primärstudien zur Fragestellung zu identifizieren. Zusätzlich wurde von zwei unabhängigen Gutachtern ein Vor- und Rückwärtsscreening der eingeschlossenen Artikel durchgeführt. Die Studienergebnisse wurden qualitativ ausgewertet.
Ergebnisse: Sechs Studien erfüllten die Einschlusskriterien. Lediglich eine Studie untersuchte Effekte einen Bewegungsprogramms, das ausschließlich in der Schwangerschaft durchgeführt wurde, auf den Geburtsschmerz. In dieser Studie zeigten körperlich aktive Schwangere geringere Geburtsschmerzen als Inaktive. Fünf Studien untersuchten die Effekte eines Bewegungsprogramms auf dem Fahrradergometer oder auf einem Gymnastikball, das unter der Geburt (und teils zur Vorbereitung bereits während der Schwangerschaft) durchgeführt wurde. In allen fünf Studien zeigte sich eine Reduktion der wahrgenommenen Schmerzen unter der Geburt nach oder während der körperlichen Betätigung.
Diskussion: Die Studien belegen, dass körperliche Aktivität unter der Geburt analgetisch wirksam ist. Für eine präventive Wirkung durch ein körperliches Training während der Schwangerschaft existieren erste Hinweise. Sowohl physiologische als auch psychologische Mechanismen werden angenommen.

SCHLÜSSELWÖRTER:
Körperliche Aktivität, Sport, Geburt, Gymnastikball, Analgesie

SUMMARY

Objective: There is sufficient scientific evidence that exercise and physical activity have acute and long term effects on different pain symptoms. The aim of the present study is to investigate (i) preventive effects of physical activity during pregnancy on labour pain and (ii) analgetic effects of exercise during labour on labour pain.
Methods:: A systematic literature search was conducted in Pubmed, SportDiscus and PsycInfo to identify national and international articles on primary research on the present topic. Two independent reviewers also screened the reference lists and citations of the included articles. A qualitative analysis of the results of the included studies was performed.
Results: Six studies fulfilled the inclusion criteria. Just one study examined the effects of an exercise program that wasexclusively conducted during pregnancy on labour pain. In this study active pregnant women had less labour pain than inactives. Five studies examined the effects of an exercise program on the cycle ergometer or on a birth ball which wasconducted during labour (and in some studies also during pregnancy). All five studies showed a reduction of labour pain during or after the exercise program.
Discussion: The present review yields evidence that exercise has analgetic effects on labour pain. Furthermore, preliminary indications suggest that exercise during pregnancy reduces labour pain. Underlying physiological and psychological mechanisms are assumed.

KEY WORDS:
Exercise, Sport, Labour Pain, Birth Ball, Analgesia

EINLEITUNG

Die meisten Frauen erleben sehr intensive Schmer­zen unter der Geburt (15). Dabei stellt der Geburts­schmerz einen paradoxen physiologischen Vorgang dar. Physiologische Prozesse im menschlichen Kör­per sind naturgemäß schmerzfrei. Schmerzemp­findungen sind in der Regel die Folge eines patho­logischen Vorgangs und sind als Warnsignal zu verstehen. Der Geburtsschmerz gehört hingegen zur Physiologie der natürlichen Geburt. Im Verlauf der Geburt ändern sich der Charakter und die Intensität der Schmerzempfindung. In der Eröffnungsperiode dilatiert sich der Muttermund unter Wehentätigkeit bis zu einer Weite von 10 cm. Der Geburtsschmerz entsteht durch Erregung sowohl korporaler als auch zervikaler und peritonealer Nozizeptoren des Ute­rus, sowie anderer Organe des kleinen Beckens und wird über afferente Fasern zum Zentralnervensys­tem geleitet. Mit zunehmender Muttermunds­öffnung und Herabsenken des vorangehenden Körperteiles des Feten kommt es zum Übergang zur Austreibungsperiode, bei der der Muttermund vollständig geöffnet ist und Beckenboden, Vagina und schlussendlich die Vulva zunehmend gedehnt wer­den. Der durch die Dehnung der Cervix uteri vermittelte rhyth­mische viszerale Schmerz weicht dem zunehmend somatischen Schmerz beim Durchtritt des Feten durch Beckenboden Vagi­na und Vulva. Die Schmerzempfindung der Gebärenden kann über die Aktivierung motorischer Neurone zur Änderung des Muskeltonus im Bereich der Beckenbodenmuskulatur führen, welche sich negativ auf den Geburtsverlauf auswirken kann. Bei Gebärenden mit stark ausgeprägtem Geburtsschmerz zeigt sich deshalb ein erhöhtes Risiko für einen protrahierten Ge­burtsverlauf und einer damit verbundenen höheren Inzidenz von Kaiserschnitt oder vaginal operativer Entbindung, post­partaler Hämorrhagie und fetalem Distress (23).
Trotz des Anstiegs an invasiven und pharmakologischen Eingriffen zur Schmerzlinderung unter der Geburt, spielen auch in der heutigen geburtshilflichen Praxis alternative Me­thoden weiterhin eine große Rolle. Denn bei alternativen Me­thoden der Schmerzlinderung empfinden die Gebärenden ein höheres Maß an Eigenkontrolle und zusätzliche ökonomische Kosten können vermieden werden (17). Im Gegensatz zur me­dikamentösen Schmerzlinderung ist die Durchführung nicht an medizinisches Personal gebunden und eine Überwachung der Gebärenden und des Feten nicht in gleichem Umfang not­wendig. Zu den physiologischen Methoden zählten neben Be­wegungen und Laufen zum Beispiel auch Berührungen von Geburtsbegleitern und Atemtechniken.

Sport und Schmerzwahrnehmung
Athletinnen und Athleten bzw. sportlich aktive Personen ver­fügen über eine höhere Schmerztoleranz als durchschnittlich aktive Personen (20). Die Schmerztoleranz wird von verschiede­nen psychologischen und psychosozialen Faktoren beeinflusst, die vermutlich durch regelmäßiges intensives sportliches Trai­ning modifiziert werden. Beispielsweise könnten Bewältigungs­strategien wie eine erhöhte Selbstwirksamkeitserwartung und Schmerzakzeptanz hervorgerufen durch sportliches Training zu einer erhöhten Schmerztoleranz beitragen (10). SportlerIn­nen sind während intensiven Trainingseinheiten oder Wett­kämpfen häufig unangenehmen sensorischen Empfindungen ausgesetzt, sodass sie hohe physische und psychische Wider­stände überwinden müssen, um die sportliche Belastung nicht abzubrechen. Die Ausbildung von Schmerzbewältigungsstrate­gien kann durch sportliches Training gefördert werden. Auch die mentalen Einstellungen zu Schmerzen und Belastungs­zuständen verändern sich durch regelmäßiges sportliches Training und sind möglicherweise ursächlich für eine erhöhte Schmerztoleranz bei SportlerInnen. Zum Beispiel weisen Tri­athleten, die während ihres sportlichen Trainings und ihrer Wettkämpfe langanhaltende und beachtliche Schmerzen er­tragen, eine vergleichsweise hohe Schmerztoleranz und geringe Angst vor Schmerzen auf (6).
Auch bei akuten Schmerzreizen sind nach körperlicher oder sportlicher Aktivität analgetische Effekte bekannt (11). Diese Effekte wurden insbesondere nach Ausdauerbelastungen beim Laufen, Fahrradfahren oder Schwimmen nachgewiesen. Einzelne Studien belegen aber auch analgetische Effekte nach isometrischen Belastungen (21) und dynamischen Kräftigungs­übungen (4). Die am häufigsten untersuchte und bestätigte Hy­pothese besagt, dass die analgetische Wirkung durch die Ak­tivierung des endogenen Opiatsystems während körperlicher oder sportlicher Belastung erzielt wird. Im Tierversuch wurden auch nicht­opioide Mechanismen nachgewiesen. Beispielsweise wird angenommen, dass der durch die körperliche Belastung hervorgerufene Anstieg des Blutdrucks für eine reduzierte Schmerzempfindung verantwortlich ist (21). Auch psychologi­sche Mechanismen wie Ablenkungseffekte sind denkbar. Aller­dings ist der Mechanismus, der für die analgetische Wirkung körperlicher oder sportlicher Aktivität verantwortlich ist, bis heute nicht eindeutig nachgewiesen. Körperliche und sportliche Aktivität während der Schwangerschaft bzw. unter der GeburtKörperliche Aktivität in der Schwangerschaft bringt eine Viel­zahl von gesundheitlichen Benefits mit sich, die gegenüber den potentiellen Risiken für Mutter und Kind überwiegen. Daher existieren spezielle Bewegungsempfehlungen für Schwangere wie die des American College of Obstetricians and Gynecolo­gists. Demnach sollen Schwangere, bei denen weder medizini­sche noch gynäkologische Komplikationen vorliegen, an den meisten Tagen einer Woche mindestens 30 Minuten mit min­destens moderater Intensität trainieren (1). Unter der Geburt wurden Frauen im westlichen Kulturkreis traditionell dazu angehalten, körperliche Belastungen zu ver­meiden. Denn als in Europa im 18. Jahrhundert die Hebammen­geburtshilfe zunehmend von ärztlicher Geburtshilfe abgelöst wurde, löste das Bett den Gebärhocker ab und die Gebärenden entbanden vermehrt in horizontaler Geburtsposition, was ge­burtshilfliche Eingriffe erleichterte. Erst in den 1970 Jahren än­derte sich diese Praxis und aufrechte Geburtspositionen sowie körperliche Betätigungen wie Umhergehen werden, wenn keine medizinischen Kontraindikationen vorliegen, empfohlen. Eine Vielzahl wissenschaftlicher Untersuchungen belegt seitdem die Vorteile von körperlicher Aktivität unter der Geburt für Mutter und Kind (13).

ZIELSTELLUNG

Sowohl akute als auch langfristige Effekte körperlicher und sportlicher Aktivität auf verschiedene Schmerzzustände sind hinreichend belegt. Im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt sind verschiedene Benefits aber auch mögliche Ri­siken körperlicher und sportlicher Aktivitäten bekannt. Ziel dieser Studie ist zu untersuchen, inwieweit körperliche Aktivi­tät während der Schwangerschaft einen präventiven Effekt auf den Geburtsschmerz hat und körperliche Betätigungen unter der Geburt analgetisch wirksam sind.

MATERIAL UND METHODEN

Um die vorliegende Forschungsfrage zu beantworten, wurde eine systematische Literaturrecherche von nationalen und in­ternationalen Forschungsartikeln durchgeführt.

Suchstrategie
Um Primärstudien zum Zusammenhang zwischen körperli­cher oder sportlicher Aktivität und dem Geburtsschmerz zu identifizieren, wurden in den folgenden Datenbanken syste­matische Literaturrecherchen vorgenommen (am 24.02.2014): Pubmed (Topics), PsycINFO und SportDiscus (Abstract). Der Suchterm setzte sich aus den Bereichen körperliche/ sportliche Aktivität und Geburtsschmerz zusammen: (exercise OR „phy­sical activ*“ OR sport*) AND (childbirth OR “child birth” OR „labour pain“ OR “labor pain”). In den Datenbanken PsycIN­FO und SportDiscus wurden zudem der Filter „peer­reviewed“ eingesetzt. Zusätzlich wurde ein Vor­und Rückwärtsscreening der eingeschlossenen Artikel durchgeführt (die Referenzen und Zitationen der eingeschlossenen Artikel wurden nochmals überprüft). Das Literaturscreening wurde parallel von zwei unabhängigen fachkundigen Gutachterinnen vorgenommen. Zuerst wurden nur die Titel und Abstracts der Studien durch­sucht und in einem zweiten Schritt wurden die Volltexte der verbleibenden Quellen begutachtet. Ihre Ergebnisse glichen die beiden Gutachterinnen miteinander ab und bei Diskrepanzen wurde durch Diskussion eine Entscheidung über den Ein­bzw. Ausschluss getroffen.

Ein- und Ausschlusskriterien
Es wurden Studien eingeschlossen, die den Zusammenhang zwischen körperlicher oder sportlicher Aktivität in jeglicher Form und dem Geburtsschmerz untersucht haben. Dabei konn­te es sich sowohl um die Aktivität der Probandinnen während der Schwangerschaft als auch unter der Geburt handeln. Nur quantitative Studien, die in deutsch­oder englischsprachigen Fachzeitschriften mit Begutachtungssystem publiziert wur­den, wurden berücksichtigt. Nur Untersuchungen von gesunden Frauen, die zum Zeitpunkt der Studie 18 Jahre alt oder älter waren, wurden eingeschlossen.

Auswertungsstrategie
Die Charakteristika und die Ergebnisse der Studien wurden ge­trennt ausgewertet, je nachdem ob die körperliche oder sportli­che Aktivität vor oder während der Schwangerschaft gemessen wurde oder ob die Frauen unter der Geburt körperlich aktiv waren. Aufgrund der geringen Zahl an identifizierten Studien wurde keine quantitative Datenauswertung vorgenommen.

ERGEBNISSE

Der Rechercheprozess ist in Abb. 1 dargestellt. Es wurden sechs Studien identifiziert, die die a priori formulierten Einschluss­kriterien erfüllen. Dazu zählen drei Studien aus Asien, zwei Studien aus Europa und eine aus dem Iran. Die Studien und ihre Ergebnisse sind in Tab. 1 näher beschrieben.

In allen Studien zeigte sich eine Reduktion der wahrgenom­menen Schmerzen unter der Geburt nach oder während kör­perlicher Aktivität bzw. zeigten körperlich aktive Schwangere geringere Geburtsschmerzen als Inaktive.
Lediglich Varrassi et al. (22) untersuchten den Effekt eines Trainings, das ausschließlich während der Schwangerschaft durchgeführt wurde, auf die Schmerzwahrnehmung und die β­Endorphinkonzentration unter der Geburt. Das Interventi­onsprogramm begann ab der 20. bis 24. Schwangerschaftswo­che und umfasste ein 30­minütiges Fahrradergometertraining, das dreimal pro Woche bei einer Intensität von 60 bis 70% der maximalen Herzfrequenz durchgeführt wurde. Hartmann et al. (7) untersuchten den Effekt eines Fahrradergometerpro­gramms, das während der Eröffnungsphase der Geburt mit einer Herzfrequenz von maximal 140 Schlägen pro Minute maximal 20 Minuten lang stattfand.

Taavoni et al. (19) und Hau et al. (8) untersuchten die Ef­fekte von während der Geburt durchgeführten Übungen mit einem Gymnastikball auf die Schmerzwahrnehmung. Taavoni et al. (19) evaluierten in einer randomisiert­kontrollierten In­terventionsstudie den Effekt eines mindestens 30­minütigen Übungsprogramms auf einem Gymnastikball. In den Studien von Leung et al. (14) und Gau et al. (5) wurde ebenfalls der Effekt eines Trainings mit einem Gymnastikball evaluiert. Hier waren die Probandinnen auch unter der Geburt aktiv und das Übungs­programm wurde zusätzlich bereits in der Schwangerschaft erprobt. Die randomisiert­kontrollierte Interventionsstudie von Gau et al. (5) beinhaltete ein 20­minütiges Training, das über 6 bis 8 Wochen drei Mal pro Woche absolviert wurde. Zur Unterstützung des Programms wurde ein Übungsvideo zur Verfügung gestellt.

DISKUSSION

Die Ergebnisse der vorliegenden Übersichtsarbeit deuten darauf hin, dass körperliche Aktivität unter der Geburt in Bezug auf den Geburtsschmerz analgetisch wirksam ist. Auch für eine präventive Wirkung durch ein körperliches Training während der Schwangerschaft existieren Hinweise. Da lediglich eine Studie identifiziert wurde (22), die ausschließlich die Wirkung eines Trainings in der Schwangerschaft untersuchte und die eine sehr kleine Fallzahl einschloss, mangelt es aber an hinrei­chender Evidenz, die eindeutige Schlüsse zuließe. Insbesondere Übungen unter Zuhilfenahme eines Gymnastikballs und Betä­tigungen auf einem Fahrradergometer scheinen empfehlens­wert für Schwangere bzw. Gebärende. Aber auch Aktivitäten wie zu Fuß gehen (12) oder Schwimmen (9) zeigen nachweislich positive Effekte auf fetale Outcomes und haben sich als Bewe­gungsaktivitäten für Schwangere bzw. Gebärende bewährt (3).
Die der schmerzlindernden Wirkung körperlicher Aktivi­täten von Schwangeren und Gebärenden zugrundeliegenden Mechanismen sind bisher nicht hinreichend geklärt. Hartmann et al. (7) vermuteten einen physiologischen Mechanismus, der durch eine Zunahme der Beta­Endorphin­Konzentration nach Belastung hervorgerufen wird. Ein direkter Zusammen­hang zwischen der Beta­Endorphin­Konzentration und der Schmerztoleranz war aber nicht nachweisbar. Auch Varrassi et al. (22) erbrachten keinen direkten Nachweis für diesen Mecha­nismus. Körperliche Aktivität bzw. aufrechte Körperpositionen und Lagewechsel beeinflussen auch den Geburtsverlauf positiv (z.B. günstigere Einstellung des Feten, verkürzte Geburtsdauer (3)), was wiederum ursächlich für eine Reduktion der Geburts­schmerzen sein könnte.
Auch psychologische Mechanismen wie Ablenkungseffekte werden in der Literatur diskutiert (18). Der Mediationseffekt der Selbstwirksamkeitserwartung wie er bei Gau et al. (5) nachge­wiesen wurde, ist ein Hinweis auf einen psychologischen Me­chanismus. Bewegungsprogramme, die bereits während der Schwangerschaft geübt werden, können demnach dazu beitra­gen, dass die Frauen eine Selbstwirksamkeitsüberzeugung ent­wickeln, die Schmerzen unter der Geburt tolerieren zu können und gleichzeitig eine Bewältigungsstrategie für den Umgang mit den Geburtsschmerzen kennenlernen. Dadurch erhalten die Ge­bärenden mehr Kontrolle über den Geburtsprozess und nehmen eine aktivere Rolle in der Bewältigung der Geburtsschmerzen ein.
Basierend auf den vorliegenden Befunden stellt sich die Frage, welche Akzeptanz bei Schwangeren bzw. Gebärenden in Bezug auf Sport­und Bewegungsangebote vorliegt und wel­che Barrieren bestehen. Die vorliegenden Studien weisen teils kleine Stichproben bzw. hohe Abbruchquoten auf (s. Tab. 1). Die Nichtteilnahme oder der Abbruch der Studienteilnahme sind häufig durch medizinische Kontraindikationen bedingt (5,7), aber auch kognitive und psychische Barrieren wie Inter­essenlosigkeit oder Ängste sind mögliche Barrieren (7). Trotz gesundheitlicher Benefits für die Schwangere und den Föten tendieren Frauen dazu, in der Schwangerschaft ihre körperli­chen Aktivitäten zu reduzieren (16). Durch geeignete Interven­tionsmaßnahmen, die Techniken der Verhaltensänderung wie beispielsweise Zielvereinbarungen, Überwachung und Feed­back oder soziale Unterstützung einschließen, kann der Rück­gang an körperlicher Aktivität während der Schwangerschaft aufgehalten bzw. die körperliche Aktivität von Schwangeren sogar erhöht werden (2).
Obwohl Bewegungsaktivitäten unter der Geburt wie Gehen oder Bewegungen auf einem Gymnastikball viele Vorteile mit sich bringen, verbringen viele Gebärende die meiste Zeit lie­gend. Hierfür sind verschiedene Gründe wie eine erleichterte medizinische Überwachung, pathologische Geburtsverläufe oder auch Erschöpfungszustände der Gebärenden verantwort­lich (13). Dennoch verbessern sich die Bewegungsmöglichkeiten für Gebärende durch die Weiterentwicklung der Periduralanäs­thesie im Sinne einer „walking epidural“ sowie durch die Sensi­bilisierung von geburtshilflichem Personal.
Da die Ergebnisse dieser Übersichtsarbeit auf wenigen Stu­dien basieren, die teils sehr geringe Fallzahlen aufweisen und hohe Abbruchraten zu verzeichnen haben, ist der Evidenzgrad der Aussagen dieser Übersichtsarbeit gering und die Ergebnisse sind auf Basis methodisch hochwertiger randomisiert­kontrol­lierter Interventionsstudien mit größeren Fallzahlen zu über­prüfen. Darin sollten auch mögliche Einflüsse auf das geburts­hilfliche Outcome (z.B. operative Geburten, Fetale Outcomes) berücksichtigt werden.

Danksagung
Die Autoren bedanken sich bei Caroline Schlaich und Tanja Schubert für die Unterstützung bei der Literaturrecherche bzw. der Formatierung des Manuskripts.

Angaben zu finanziellen Interessen und Beziehungen, wie Patente, Honorare oder Unterstützung durch Firmen:
Keine

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Jun.-Prof. Dr. rer. soc. Anne Kerstin Reimers
Technische Universität Chemnitz
Institut für Angewandte Bewegungswissenschaften
Straße der Nationen 62, 09111 Chemnitz
anne.reimers@hsw.tu-chemnitz.de