Klinische Sportmedizin
EDITORIAL
Klinische Sportmedizin

Klinische Sportmedizin

Clinical Sports Medicine

Die Entscheidung für eine Deutsche Olympiabewerbung hat die sportpolitischen Schlagzeilen der vergangenen Wochen dominiert. Mit der klaren Positionierung des Deutschen Olympischen Sportbundes und der Deutschen Politik zu dieser Bewerbung ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer ernsthaften und aussichtsreichen Bewerbungskampagne gemacht.

Sollte es zum Zuschlag kommen wäre die Gesamtgesellschaftliche Erwartungshaltung groß. Der Sport würde in vielerlei Hinsicht, sowohl für den Leistungssport, als auch für den Breitensport, profitieren, die Wirtschaft würde sich neue Impulse für die Binnenkonjuktur erhoffen und die Politik würde eine große Möglichkeit zur internationalen Völkerverständigung und zur positiven Außenpräsentation Deutschlands sehen. Aber auch die Medizin würde bei diesem Großereignis eine bedeutende Rolle spielen und für die Sportmedizin würden die Olympischen Spiele eine hervorragende Plattform darstellen, die gesamte Bandbreite und die unterschiedlichen Facetten unseres interdisziplinären Fachgebiets zu demonstrieren.
Die medizinischen Herausforderungen bei solchen sportlichen Großereignissen sind immer breit gefächert und stellen häufig einen Spagat zwischen medizinischer Versorgung von Hochleistungssportlern und ärztlicher Grundversorgung eines breiten Spektrums an Normalpersonen dar. Aus Sicht der Fachrichtungen ist eine internistische und orthopädische Basisversorgung im Umgang mit den Sportlern hier genauso wichtig, wie die Koordination zwischen den zahlreichen klinischen Spezialdisziplinen, welche im Rahmen der Regelversorgung bei einer solch großen Veranstaltung notwendig sind.
Diese breite Palette an Aufgaben spiegelt sehr gut die Herausforderungen und die Möglichkeiten der klinischen Sportmedizin in der Praxis wider. Betrachtet man die Betreuung im Hochleistungssport wird dem Sportmediziner eine verantwortungsvolle Aufgabe zu teil. Neben der präventiven Gesundheitsuntersuchung und der akuten Versorgung von Sportverletzungen ist die interdisziplinäre Kompetenz des Sportmediziners in besonderem Maß gefragt. So steht auch bei Hochleistungssportlern die Gesundheitserhaltung im Vordergrund, da ein gesunder Körper Grundvoraussetzung für das Erbringen von Höchstleistungen darstellt.
Klinisch zum Teil banal erscheinende Einschränkungen der körperlichen Fähigkeiten können beim Leistungssportler zu erheblichen Leistungseinschränkungen in Training und Wettkampf führen. Hier ist es Aufgabe des Sportmediziners entsprechende klinische Beschwerden korrekt zu diagnostizieren und zu therapieren.
Neben den klassischen, in der Sportmedizin vertretenen Fachrichtungen wie Allgemeinmedizin, Innere Medizin und Orthopädie ist die gesamte Bandbreite der Medizin konsiliarisch mit vertreten. In dem Zusammenhang muss eine enge Kooperation mit den klinischen Fächern, wie z.B. der Gynäkologie, der Neurologie, der Augenheilkunde oder der HNO-Medizin genutzt werden, um den unterschiedlichen medizinischen Anforderungen und Bedürfnissen der Athletinnen und Athleten gerecht zu werden. In diesem Umfeld ist es von immenser Bedeutung, dass auf der einen Seite mit möglichst hoher Fachkompetenz gearbeitet wird, auf der anderen Seite aber auch eine spezifizierte ärztliche Fachgruppe in der Lage ist, die unterschiedlichen Befunde zu sammeln, zu bewerten und im Sinne der Athletinnen und Athleten dann vernünftig umzusetzen.
Die Betreuung von Leistungssportlern ist allerdings nur eine kleine Facette der Sportmedizin. Ein großer Bereich des klinischen Fachgebiets der Sportmedizin ist in der Prävention, der konkreten Therapie und der Rehabilitation verschiedenster Krankheiten zu sehen. In all diesen Bereichen spiegelt sich der interdisziplinäre Charakter des Fachgebiets wider.
Fristete die Prävention noch vor Jahren eher ein Schattendasein und war die Rehabilitation klassischerweise auf Koronarsportgruppen im internistischen und Rehabilitationsmaßnahmen im orthopädischen Bereich beschränkt, so hat sich das Indikationsspektrum zwischenzeitlich deutlich erweitert. In der Prävention gibt es zwischenzeitlich gute Daten zur Bedeutung von körperlicher Aktivität zur Vermeidung zahlreicher Erkrankungen wie z. B. Adipositas, Diabetes mellitus und arterieller Hypertonie. Zusätzlich sind auch die klassischen Zivilisationskrankheiten des Bewegungsapparates in den Fokus präventiv-medizinischer Anstrengungen gelangt.
Des Weiteren hat sich auch in der Sekundärprävention und der Rehabilitation das Spektrum der sportmedizinischen Aufgabengebiete auf eine Vielzahl von Krankheitsbildern ausgeweitet. Neben den bewährten Koronarsportgruppen werden zwischenzeitlich Sporttherapien für Lungen- und Osteoporosepatienten, Patienten nach Organtransplantationen oder für adipöse Kinder angeboten. Auch in diesen klinisch orientierten Teilgebieten der Sportmedizin steht die disziplinübergreifende ärztliche Tätigkeit im Vordergrund. Ebenso muss auch hier, wie bei der Versorgung der Leistungssportler, die Kommunikation zwischen verschiedenen Teildisziplinen der Medizin zum Wohle des Patienten umgesetzt werden.
In diesem Sinne schließt sich dann wieder der Kreis zur Olympiabewerbung und insbesondere einer potentiellen Ausrichtung Olympischer Spiele in Deutschland. Die praktische Arbeit von Sportmedizinern bei Olympischen Spielen spiegelt tatsächlich in vielen Aspekten die oben geschilderten interdisziplinären Aufgabenstellungen wider.
Da das allgemeine Interesse an einer solchen internationalen Großveranstaltung immens ist, ergäbe sich hieraus die Möglichkeit, die medizinische Betreuung in der Vorbereitung auf und dann vor allem auch während der Olympischen Spiele zu nutzen, den Kontakt zwischen den unterschiedlichen Fachrichtungen der Medizin auf- bzw. auszubauen. Von einer daraus resultierenden, verstärkten Kooperation und einem verbesserten Verständnis zwischen unterschiedlichen Spezialdisziplinen in Zusammenhang mit der Sportmedizin könnten Patienten wie Sportler profitieren.
Da körperliche Aktivität – vernünftig betrieben – noch immer zu den günstigsten und nebenwirkungsärmsten Therapieformen zählt, ist in der klinischen Sportmedizin auch ein bedeutsamer Beitrag zur Optimierung des Gesundheitssystems zu sehen.

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Univ.-Prof. Dr. med. Bernd Wolfarth
Abteilung Sportmedizin
Charité Universitätsmedizin Berlin
Humboldt Universität zu Berlin
Philippstr. 13, Haus 11, 10115 Berlin
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