Sonderheft zum Sportärztekongress der DGSP, 6.-7. September 2013
EDITORIAL

Praktische Sportmedizin – Qualität und Evidenz auch in der Routine

Sportmedizin in Deutschland – ein Pyramidenmodell?

Prof. Dr. Klaus Völker Institut für Sportmedizin, Universität MünsterIm Vorfeld eines Kongresses stellen sich einige wichtige Fragen: Welche Adressaten möchte man ansprechen? Welche Themen sind von Interesse? Welche Themen sind in der aktuellen Diskussion?
Ein wichtiger Aspekt zur Klärung dieser Fragen ist der Blick auf die Struktur der Mitglieder des Dachverbandes, also der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP). Zur Charakterisierung der organisierten Sportmedizin in Deutschland wird vielfach ein Pyramidenmodell herangezogen.
Eine breite Basis praktisch tätiger Sportmediziner trägt eine schmale Spitze hochspezialisierter zumeist an Universitäten wissenschaftlich tätiger Sportmediziner. Numerisch ist mit einer solchen Pyramide das Spektrum der Sportmedizin in Deutschland zutreffend charakterisiert. Von den gut 9.000 Mitgliedern der DGSP sind nur einige 100 intensiv wissenschaftlich tätig. Inhaltlich hat die Pyramidentheorie jedoch ihre Tücken. Man kann den Eindruck gewinnen, als habe jeder der Bereiche ein Eigenleben. Für die Basisarbeit in der sportärztlichen Praxis ist der wissenschaftliche Diskurs etwa über molekulare Aspekte von Adaptationsprozessen weit weg. Genauso schwer scheint aber auch umgekehrt der Blick weg vom Molekül hin zu den praktischen Problemen bei der Beratung eines Patienten hinsichtlich seiner Trainingsinhalte. Dabei hätten sich beide Seiten viel zu sagen, kämen sie einfach nur einmal ins Gespräch. Die Wissenschaft hat in den letzten Jahren viele Erkenntnisse gewonnen mit hoher praktischer Relevanz. Die Trainierbarkeit des Endothel sei hier nur als ein konkretes Beispiel genannt. Ohne aber die Rückmeldung aus der Praxis, was umsetzbar ist und was Akzeptanz finden könnte, gingen viele noch so wissenschaftlich basierte Empfehlungen ins Leere.
Ein Sportärztekongress wäre von daher eine gute Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen. Das Leitthema des 44. Deutschen Sportärztekongresses versucht gezielt, auf diese Perspektive hinzuweisen.
Nach dem Jubiläumskongress 2012 in Berlin, wo der wissenschaftliche State of the Art der nationalen und internationalen Sportmedizin im Vordergrund stand, soll der Kongress Frankfurt 2013 den Blick auf die praktische Sportmedizin lenken. Dieses Konzept spiegelt sich in der Verteilung der Veranstaltungsstränge wider. Neben den Veranstaltungssträngen, die national wie international kompetitionsfähige wissenschaftliche Referate präsentieren, widmen sich andere Stränge wissenschaftlich-klinisch bzw. praktisch orientierten Thematiken, etwa in Form von Übersichts- und Kurzreferaten, in denen Untersuchungen der letzten Jahre vor- und zur Diskussion gestellt werden. Ergänzt wird die aktuelle wissenschaftliche Diskussion durch Fortbildungsschienen, in denen wissenschaftliche Erkenntnisse für die Anwendungsorientierung heruntergebrochen werden. Willkommene Bereicherung sind auch die Veranstaltungen von Partnerorganisationen, die mal mehr wissenschaftlich-, mal mehr anwendungsorientierte Inhalte anbieten und das Programm ergänzen. Durchgängig durch alle Veranstaltungsstränge ist auch das Bemühen, die beiden Hauptsäulen der Sportmedizin, den orthopädischtraumatologischen und den internistisch-leistungsphysiologisch allgemeinmedizinischen Bereich, in adäquater Weise abzubilden.
Betrachtet man also das gesamte Spektrum des diesjährigen Kongresses, so kann man ein Angebot für die gesamte Sportmedizinpyramide erkennen. Bisher waren die wissenschaftlich Aktiven, also die Vertreter der Spitze der Pyramide immer recht gut auf den Sportmedizinkongressen vertreten. Es wäre zu hoffen, dass es mit Frankfurt 2013 gelingt, mehr die breite Basis der Sportmedizin anzusprechen.
Eine Pyramide ist nur dann standfest, wenn viele gemeinsame Streben von unten nach oben und von oben nach unten eingezogen wurden und werden. Die Kommunikation und der Austausch im Rahmen des 44. Sportärztekongresses in Frankfurt wären hierzu ein probates Mittel.