Die Eignung von Fragebögen zur Erfassung der körperlichen Aktivität älterer Erwachsener für den Einsatz in einer epidemiologischen Studie
Suitability of Existing Questionnaires to Assess Physical Activity of Older Adults for the Application in Epidemiological Research
ZUSAMMENFASSUNG
Zur Erfassung der körperlichen Aktivität älterer Personen in einer epidemiologischen Beobachtungsstudie wurde ein altersspezifischer Fragebogen gesucht. Ziele dieser Arbeit waren die Darstellung und Beurteilung bestehender Fragebögen hinsichtlich ihrer Eignung für den Einsatz in dieser Studie. In der Datenbank PubMed wurde eine systematische Literaturrecherche durchgeführt. Dargestellt werden Modified Baecke Questionnaire for Older Adults, Zutphen Physical Activity Questionnaire, Physical Activity Scale for the Elderly, Yale Physical Activity Survey und CHAMPS Physical Activity Questionnaire for Older Adults. Diese Fragebögen unterscheiden sich u.a. in: Art der Befragung (z.B. persönliches oder telefonisches Interview), abgefragtes Zeitfenster (eine Woche bis ein Jahr), Berücksichtigung von Alltagsaktivitäten, Form der Fragen (offen bzw. geschlossen), Ermittlung eines Gesamtscores, Dauer der Erfassung (fünf bis 30 Minuten), Anzahl der Befragten (21 bis 254 Personen), Anteil der männlichen Teilnehmer (41 bis 100%), Abstand zur Messwiederholung (zwei Wochen bis sechs Monate), eingesetztes Außenkriterium (z.B. Tagebuchaufzeichnung, Körperfettanteil) und Ergebnisse der Gütekriterien (Reliabilität: r =0,57 bis 0,93 und Intra-Klassen-Korrelation=0,62 bis 0,67; Validität: r =-0,13 bis 0,79). Im Hinblick auf die dargestellten Bewertungskriterien für den Einsatz in einer epidemiologischen Beobachtungsstudie erschien keiner der beschriebenen Fragebögen hinreichend geeignet, um die körperliche Aktivität älterer Erwachsener zu erfassen. Folglich sollte ein neuer Fragebogen entwickelt bzw. anhand der bestehenden Fragebögen adaptiert werden, der die körperliche Aktivität der vergangenen Woche in den Bereichen Sport, Freizeit, Haushalt und Garten mit kurzer Befragungsdauer in geschlossenen Fragen erfasst und Rückschlüsse auf den Energieverbrauch zulässt.
Schlüsselwörter: Ältere, Epidemiologie, Bewegung, Methodik, Gütekriterien, Telefoninterview.
SUMMARY
The use of questionnaires in epidemiological research is an established method for the assessment of physical activity of older adults (aged 65 years and older). Only instruments that have specifically been developed and validated for this particular age group should be used. The aims of this study were to compare existing questionnaires, and to judge their suitability regarding an application in German epidemiological research (within the “PRISCUS” research consortium). Five questionnaires were evaluated: Modified Baecke Questionnaire for Older Adults, Zutphen Physical Activity Questionnaire, Physical Activity Scale for the Elderly, Yale Physical Activity Survey, and CHAMPS Physical Activity Questionnaire for Older Adults. Among other things these questionnaires differ in the mode of administration (e.g. self-administered, telephone interview), the specified time frame (past week-year), the requested forms of physical activity (e.g. activities of daily life), the completion time (5-30 minutes), and the quality criteria (retestreliability: Spearman’s r =0.57–0.93, Intra-Class-Correlation=0.62–0.67; validity: Spearman/Pearson’s r =-0.13–0.79). Considering the presented assessment criteria none of the questionnaires seems to be suitable to assess physical activity of older adults in epidemiological research in Germany (e.g. within the “PRISCUS” research consortium).
Key Words: Aging, epidemiology, motor activity, reliability, validity, telephone interview.
EINLEITUNG
In der Bundesrepublik Deutschland leben derzeit rund 82 Millionen Einwohner, davon 15,9 Millionen Personen (19% der Bevölkerung) im Alter von 65 Jahren und älter, deren Anteil bis zum Jahr 2050 auf voraussichtlich 24 Millionen (ca. 36% der Bevölkerung) ansteigen wird (20). Im Hinblick auf den demographischen Wandel wird es immer wichtiger, Lebensqualität, Funktionsfähigkeit und Selbständigkeit älterer Personen über einen möglichst langen Zeitraum zu erhalten. Der körperlichen Aktivität im Alter sind nach Meinung der Wissenschaft vielfältige positive Wirkungen im Sinne einer gesund erhaltenden Lebensweise zuzuschreiben (5, 9). Obwohl die beschriebenen positiven Effekte körperlicher Aktivität bekannt sind, existieren bisher wenige Daten aus Deutschland zur körperlichen Aktivität älterer Erwachsener (11, 18).
Die Förderung des Bundesministerium für Bildung und Forschung zum Thema „Gesundheit im Alter“ ermöglichte im Forschungsverbund PRISCUS (23) (Prerequisites for a new health care model for elderly people with multimorbidity) die Erfassung der körperlichen Aktivität von etwa 2.000 Personen im Alter von 70 Jahren und älter (getABI [German epidemiological trial on ankle brachial index]-Kohorte) im Telefoninterview (6). Für diesen Einsatz wurde ein geeignetes Messinstrument gesucht.
Um körperliche Aktivität in Studien zu erfassen, werden zahlreiche direkte (z.B. Aktivitätsmonitore) und indirekte (z.B. Fragebögen) Messmethoden eingesetzt (3, 16). Der Einsatz von direkten Methoden in epidemiologischen (Beobachtungs-) Studien steigt an. Allerdings sind diese Messmethoden zurzeit noch sehr anfällig für Messfehler (26). Um bspw. Zusammenhänge zwischen Aktivität und Herz-Kreislauf-Erkrankungen herstellen zu können, hat sich der Einsatz von Fragebögen als indirekte Methode bewährt (12). Sie stellen eine praktikable und zweckmäßige Möglichkeit dar, körperliche Aktivität in populationsbezogenen Studien mit hoher Teilnehmerzahl zu erfassen (27).
Bislang existierende Fragebögen zur Erfassung von Aktivität sind zumeist auf Personen im jungen und mittleren Erwachsenenalter zugeschnitten (3, 14). Diese vernachlässigen meistens den Bereich der Alltagsaktivitäten, wie Aktivität im Haushalt oder Spaziergänge, die im Alter (z.B. ab dem Beginn der Rente) gegenüber rein sportlicher Aktivität an Bedeutung gewinnen (11, 29). Fragebögen, die für jüngere Kollektive entwickelt wurden, unterschätzen womöglich dadurch die Aktivität älterer Personen (29). Durch den Einsatz dieser Messmethoden könnte u.U. der wahre Effekt der körperlichen Aktivität älterer Erwachsener auf gesundheitsbezogene Zielgrößen aufgrund von Messfehlern, Ungenauigkeit und Verzerrungen (bias) nicht korrekt dargestellt werden. Für die Erfassung der körperlichen Aktivität älterer Erwachsener kommen demnach ausschließlich Instrumente in Frage, die die in dieser Altersgruppe ausgeübte körperliche Aktivität möglichst umfassend berücksichtigen.
In der epidemiologischen Praxis werden sowohl schriftliche und persönliche Befragungen als auch Befragungen am Telefon durchgeführt. Jede einzelne Methode bringt sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich, die an anderer Stelle detailliert diskutiert werden (10, 15). Während in einer schriftlichen Befragung bspw. private Fragen häufiger beantwortet werden als im Telefoninterview, ist sowohl die Teilnahmerate als auch die Datenqualität (z.B. weniger fehlende Werte) im Telefoninterview zumeist höher. Die Befragung der getABI-Kohorte sollte im Telefoninterview durchgeführt werden. Das computergestützte telefonische Interview (CATI) gewährleistet eine Standardisierung der Befragung und eignet sich als Hilfsmittel für die Datenerfassung. Die Methode CATI wird u.a. von dem European Physical Activity Surveillance System (EUPASS) für den Einsatz in Studien empfohlen.
Ziele dieser Arbeit sind 1) die vergleichende Darstellung bestehender Fragebögen zur Erfassung der körperlichen Aktivität älterer Erwachsener, 2) deren Bewertung anhand verschiedener Qualitätsmerkmale und 3) die Beurteilung hinsichtlich ihrer Eignung für den Einsatz in der getABI-Kohorte.
METHODIK
In der Datenbank PubMed (1966- 2010) wurde eine Literaturrecherche unter Verwendung folgender Suchbegriffe (Medical Subject Headings) durchgeführt: (exercise OR motor activity) AND questionnaires AND [(aged) NOT (child OR infant OR adolescent OR young adult OR middle aged)] AND (reproducibility of results). Die beschriebene Suchstrategie ergab 61 Treffer. Aus den Artikeln wurden zunächst diejenigen Studien gefiltert und ausgeschlossen, bei denen kein Fragebogen zur Erfassung der körperliche Aktivität zum Einsatz kam (n=27), die Aktivitätsfragebögen an speziellen Patientenkollektiven einsetzten und ggf. an diesen validierten (n=18) oder aus anderen Gründen nicht in die nachfolgende Analyse eingeschlossen werden konnten (z.B. Einsatz von Fragebögen für jüngere Erwachsene oder Validierung einer internationalen Version eines bestehenden englischen Aktivitätsfragebogens; n=14). Mit Hilfe der Literaturangaben der gefundenen Artikel und gezielter Suche nach den Namen der identifizierten Fragebögen, wurde anschließend zusätzlich nach verfügbaren Studien zur Bewertung der Gütekriterien (Retest-Reliabilität und kriterienbezogene Validität) der Fragebögen gesucht. Die Bewertung der Fragebögen wurde in Anlehnung an die Vergleichs- bzw. Bewertungskriterien zwischen Aktivitätsfragebögen nach Terwee et al. (22) durchgeführt.
ERGEBNISSE
Es wurden fünf Fragebögen gefunden, die sämtliche genannten Auswahlkriterien erfüllen: Modified Baecke Questionnaire for Older Adults (ModBaecke) (28), Zutphen Physical Activity Questionnaire (Zutphen) (4, 32), Physical Activity Scale for the Elderly (PASE) (31), Yale Physical Activity Survey (YPAS) (7) und CHAMPS Physical Activity Questionnaire for Older Adults (CHAMPS) (21). Nachfolgend werden die Vergleichskriterien dargestellt.
Die Fragebögen ModBaecke, PASE, YPAS und CHAMPS sehen ein persönliches Interview vor. Für PASE gibt es zusätzlich einen Fragebogen für das Telefon-Interview und einen selbst auszufüllenden Fragebogen. Zutphen ist ein ausschließlich selbst auszufüllender Fragebogen.
Das Zeitfenster der erfassten körperlichen Aktivität ist für ModBaecke das vergangene Jahr, für PASE und CHAMPS eine Woche des vergangenen Monats, für YPAS der vergangene Monat und für Zutphen die vergangene Woche bzw. der vergangene Monat.
Der Bereich der Sport- und Freizeitaktivitäten wird von allen Fragebögen erfasst. Zutphen erfasst keine Tätigkeiten im Haushalt und ModBaecke keine Gartenarbeit. Nur PASE erfasst berufliche körperliche Aktivität. Außer Zutphen erfassen alle Fragebögen die Art der Fortbewegung, um z.B. einkaufen zu gehen. Zutphen erfasst als einziger Fragebogen die Ruhezeit.
Die Form der Fragen ist eine Mischung aus geschlossenen und offenen Fragen. In ModBaecke werden für die Erfassung von Haushaltstätigkeiten geschlossene, für Sport- und Freizeitaktivitäten offene Fragen unter Berücksichtigung der Art der körperlichen Aktivität, der Häufigkeit pro Woche und der Dauer, verwendet. In PASE werden die allgemeinen Fragen zu Freizeit- und Sportaktivitäten (Umfang pro Woche und Dauer) geschlossen gestellt, nachfolgend die genaue Form der körperlichen Aktivität offen erfragt. YPAS fragt weitestgehend offen. Den Befragten werden Listen mit Aktivitäten vorgelegt, zu denen dann jeweils die Anzahl der Stunden pro Woche angegeben werden. Auch die Fragen in Zutphen sind teilweise offen gestellt. In CHAMPS wird zuerst offen nach der Häufigkeit der Durchführung einer bestimmten körperlichen Aktivität pro Woche und anschließend geschlossen nach der Gesamtdauer pro Woche gefragt. Andere Aktivitäten werden teilweise dichotom erfasst, wie z.B. die Frage nach der Hausarbeit im PASE oder nach dem Treppensteigen im Zutphen, bei der durchgeführt „ja“ oder „nein“ anzugeben ist.
Die Anzahl der Fragen (null bis acht Blöcke, die zwei bis 41 einzelne Fragen beinhalten) und die daraus resultierende Dauer der Befragung ( fünf bis 30 Minuten) variieren zwischen den Fragebögen stark. Für PASE ist eine kurze, wenn auch sehr variable Befragungsdauer von fünf bis 20 Minuten dokumentiert. Die Erfassung der Fragen in CHAMPS dauert etwa zehn Minuten. Die anderen Fragebögen dauern länger als 20 Minuten.
Um sämtliche abgefragte körperliche Aktivität zu einem einzigen Ergebnis (Score) zusammenzufassen, bedienen sich alle Fragebögen eines Gesamtscores. Hierzu wird jeder Aktivität ein Intensitätswert zugeordnet. Im Fall von YPAS, Zutphen und CHAMPS beruht dieser Intensitätswert auf dem vermuteten Energieverbrauch bei der Durchführung der betreffenden körperlichen Aktivität (1, 2). ModBaecke und PASE ermitteln eine Gesamtpunktzahl (ModBaecke: Summe aus den Aktivitätsbereichen Haushalt, Sport und Freizeit mit unterschiedlicher Gewichtung, PASE: Summe aus 12 Aktivitätsteilbereichen mit unterschiedlicher Berechnung). Die Einheit der Gesamtscores der erstgenannten drei Fragebögen entspricht dem Energieverbrauch in Kilokalorien pro Tag oder Woche. Die Scores der beiden anderen Fragebögen ModBaecke und PASE sind einheitenlos.
Die Ergebnisse zur Bewertung der Gütekriterien zeigen ein uneinheitliches Bild. Die Korrelationen zur Retest-Reliabilität der Fragebögen variieren deutlich (Spearman’s r =0,57 bis 0,93 bzw. Intra-Klassen-Korrelation [ICC] =0,62 bis 0,67); ebenso der Abstand zur Messwiederholung (zwei Wochen bis sechs Monate), die Anzahl der Befragten (21 bis 254 Personen) und der Anteil der männlichen Teilnehmer (41 bis 100%). Die Korrelationen zur kriterienbezogenen Validität mit unterschiedlichen Außenkriterien (u.a. Tagebuchaufzeichnungen, Schrittzahl, subjektiver Gesundheitszustand, Ruheherzfrequenz, Energieverbrauch, motorische Funktionsfähigkeit, Ausdauerleistungsfähigkeit, Körperfettanteil) zeigten negative bis positive Werte (Spearman’s bzw. Pearson’s r =- 0,13 bis 0,79) und wurden an 21 bis 249 Personen mit einem Männeranteil von 45 bis 100% überprüft.
DISKUSSION
Die Unterschiede der Fragebögen ModBaecke, Zutphen, PASE, YPAS und CHAMPS, die Eignung für den Einsatz in einer epidemiologischen Beobachtungsstudie wie getABI und die Frage, welche Kriterien bei der Entwicklung eines neuen Fragebogens beachtet werden sollten, werden im Folgenden diskutiert.
Für den Einsatz in getABI sollte die Erfassung von körperlicher Aktivität im Telefoninterview möglich sein. Von den hier dargestellten Fragebögen kann ausschließlich PASE im Telefoninterview angewandt werden. Da die anderen Fragebögen ggf. für den Einsatz im Telefoninterview adaptiert werden könnten, werden diese im Folgenden dennoch weiterhin betrachtet.
Bei der Auswahl des Zeitfensters der zu erfassenden zurückliegenden körperlichen Aktivität gibt es keine allgemeingültige Empfehlung (8, 22), sondern es ist vor allem die Fragestellung der jeweiligen Studie zu berücksichtigen. Soll habituelle Aktivität abgefragt werden, könnte ModBaecke zum Einsatz kommen. Eher aktuelle Aktivität erfassen YPAS, PASE, Zutphen und CHAMPS. In der getABI-Kohorte sollte die aktuelle Aktivität erfasst werden, da diese als Merkmal zur Beschreibung der augenblicklichen Gesamtsituation des älteren Erwachsenen beiträgt. Hierzu zählt nicht nur die Beschreibung von medizinischen Parametern (z.B. Erkrankungen), sondern auch weiteren Merkmalen, die die aktuelle Lebenssituation des älteren Erwachsenen beschreiben (z.B. Sturzrisiko, soziale Kontakte, Funktionalität, Lebensqualität). Durch die Erfassung der aktuellen körperlichen Aktivität sollten Zusammenhänge zwischen der aktuellen Lebenssituation und dem Aktivitätsverhalten kongruent dargestellt werden können.
Aufgrund der Veränderung des Aktivitätsverhaltens gegenüber jüngeren Personen sollten die erfassten Bereiche der körperlichen Aktivität sowohl sportliche Aktivität als auch jene im Haushalt, im Garten und in der Freizeit umfassen. PASE und Zutphen erfassen nicht alle diese Bereiche.
Bei der Dauer der Befragung und der Anzahl der Fragen sollte eine kurze, möglichst präzise Erfassung der körperlichen Aktivität angestrebt werden, um diese dadurch problemlos in die Fragebogenbatterie von epidemiologischen Studien integrieren zu können und die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer im Ganzen nicht unnötig lange zu belasten. Die Dauer der hier diskutierten Fragebögen erscheint lediglich für CHAMPS (zehn Minuten) und u.U. PASE ( fünf bis 20 Minuten) für solch einen epidemiologischen Rahmen akzeptabel.
Bei der Wahl der Form der Fragen haben geschlossene Fragen den Vorteil einer standardisierten Vorgehensweise und einer einfachen Auswertung. Die Verwendung von offenen Fragen hat u.a. den zentralen Nachteil, dass die Auswertung (z.B. Kodierung) mit einem immensen Aufwand verbunden ist (17). Da in getABI etwa 2.000 Personen befragt werden sollten, sollte der eingesetzte Aktivitätsfragebogen ausschließlich geschlossene Fragen beinhalten.
Für eine zusammenfassende Auswertung des Aktivitätsverhaltens in einem Gesamtscore ermöglichen YPAS, Zutphen und CHAMPS eine Darstellung des Gesamtenergieverbrauchs. Hierzu muss zur Bildung einer Einheit jeder körperlichen Aktivität ein Intensitätswert zugeordnet werden. Um Studien miteinander vergleichbar zu machen, wäre eine einheitliche Zuteilung von Intensitäten zu Formen der körperlichen Aktivität in der Einheit des „metabolischen Äquivalents“, z.B. nach dem Kompendium von Ainsworth et al. (2), wünschenswert. Dies legen YPAS, Zutphen und CHAMPS zugrunde.
Durch die unterschiedlich langen Abstände zwischen Test und Retest kann das Ergebnis beeinflusst werden (13, 29). Ein kurzer Abstand zwischen Test und Retest erhöht dabei unter Umständen die Retest-Reliabilität, weil die Erinnerung der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer an die Fragen und Antworten des (ersten) Tests das Ergebnis des (zweiten) Retests beeinflussen kann. Bei größeren Abständen zwischen Test und Retest ist dies eher zu vernachlässigen. Dabei bleibt unklar, ob eine geringere Retest-Reliabilität entsteht, weil die Wiederholbarkeit der Messung nur eingeschränkt möglich ist oder weil eine tatsächliche Veränderung des Aktivitätsverhaltens zwischen den Erhebungszeitpunkten vorliegt. Hierbei ist anzumerken, dass Korrelationsberechnungen nach Spearman oder Pearson keine adäquate Methode zur Bewertung der RetestReliabilität sind, da diese systematische Abweichungen zwischen zwei Erhebungszeitpunkten ignorieren und ausschließlich die Assoziation zweier Merkmale beschreiben (24). Eine geeignete Maßzahl ist der ICC (19). Diese Maßzahl wurde ausschließlich bei der Überprüfung der Reliabilität des CHAMPS verwendet. Für die Neuentwicklung eines Fragebogens kann für die Ermittlung der RetestReliabilität eine Wiederholung der Befragung nach etwa vier Wochen empfohlen werden. Dies geschieht unter der Annahme, dass die Erinnerung an die Antworten der ersten Befragung erloschen ist, aber gleichzeitig das Aktivitätsverhalten nach diesem Zeitraum nicht maßgeblich verändert wurde. Zur Absicherung sollte bei der wiederholten Befragung ggf. abgefragt werden, ob spezielle Ereignisse (z.B. Sturz, Krankheit, Urlaub) das Aktivitätsverhalten aktuell stark beeinflussen. Falls dies zutrifft, könnten diese Personen aus der Reliabilitätsanalyse ausgeschlossen werden. Als Maß der Übereinstimmung sollte der ICC genutzt werden.
Zur Ermittlung der kriterienbezogenen Validität wurden weitreichende direkte und indirekte Messmethoden als Kriterium verwendet. Nur ModBaecke, YPAS und Zutphen wurden mit direkten Methoden (Tagebuchaufzeichnungen, Schrittzähler, Beschleunigungsmessung, Energieverbrauchsmessung) validiert. Für PASE und CHAMPS wurden indirekte Methoden (maximale und submaximale Maße der körperlichen Leistungsfähigkeit, Körperfettanteil, pulmonale Vitalkapazität) genutzt. Die Wahl indirekter Methoden zur Ermittlung der kriterienbezogenen Validität eines Fragebogens gerade für diese Altersgruppe ist allerdings kritisch zu sehen, da die Anzahl älterer Personen, die hoch-intensive Aktivität (z.B. Ausdauertraining) durchführen, im Allgemeinen sehr gering ist (11). Die hoch-intensiven Arten der körperlichen Aktivität sind aber diejenigen, die diese indirekten Messungen im Wesentlichen beeinflussen (29). Demnach erscheint eine Überprüfung der kriterienbezogenen Validität mit direkten Messmethoden (z.B. durch Beschleunigungsmessung) wünschenswerter (7, 28, 32). Prinzipiell zeigte sich außerdem, dass die Bewertung der Gütekriterien an einer sehr geringen Teilnehmerzahl durchgeführt wurde. Die Entwickler des PASE bspw. raten selber dazu, die Gütekriterien ihres Fragebogens erneut an einem größeren Kollektiv zu bewerten (29), welches im Idealfall aus zufällig gewählten Personen bestehen sollte (30). Forsén et al. (8) raten zu einer Überprüfung der Gütekriterien an mindestens 50 Probanden.
Aufgrund der beschriebenen Ergebnisse und Diskussion erschien keiner der hier vorgestellten Fragebögen in seiner Originalfassung geeignet, um die körperliche Aktivität von älteren Personen im Rahmen des PRISCUS-Verbundes in der großen deutschen epidemiologischen Studie getABI zu erfassen. Folglich sollte ein neuer Fragebogen entwickelt bzw. anhand der bestehenden Fragebögen adaptiert werden, der im telefonischen Interview die aktuelle körperliche Aktivität der vergangenen Woche in den Bereichen Sport, Freizeit, Haushalt und Garten mit kurzer Befragungsdauer in geschlossenen Fragen erfasst und Rückschlüsse auf den Energieverbrauch in MET zulässt. Der Fragebogen sollte nach seiner Entwicklung an mindestens 50 Probanden auf seine Retest-Reliabilität mittels ICC geprüft und durch den Einsatz einer direkten Methode zur objektiven Bewertung des Energieverbrauchs als Außenkriterium validiert werden (25). Es kann somit durch den Einsatz eines altersspezifischen Fragebogens eine präzisere Messung der körperlichen Aktivität als bisher erfolgen und ggf. eine Verstärkung der bereits existierenden Evidenz erwartet werden.
Finanzierung
Die Studie wird im Rahmen des Forschungsverbundes „PRISCUS“ gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, Förderkennzeichen 01ET0720.
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Ulrike S. Trampisch
Ruhr-Universität Bochum
Fakultät für Sportwissenschaft
Lehrstuhl für Sportmedizin und Sporternährung
44780 Bochum
E-Mail: ulrike.trampisch@rub.de