Sportmedizin
ÜBERSICHT
GEWINNUNG VON HINWEISEN ZUR NEUENTWICKLUNG DES PRISCUS-PAQ

Die Eignung von Fragebögen zur Erfassung der körperlichen Aktivität älterer Erwachsener für den Einsatz in einer epidemiologischen Studie

Suitability of Existing Questionnaires to Assess Physical Activity of Older Adults for the Application in Epidemiological Research

Lehrstuhl für Sportmedizin und Sporternährung, Fakultät für Sportwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum

ZUSAMMENFASSUNG

Zur  Erfassung  der  körperlichen  Aktivität  älterer  Personen  in  einer  epidemiologischen  Beobachtungsstudie  wurde  ein  altersspezifischer  Fragebogen  gesucht. Ziele  dieser  Arbeit  waren  die  Darstellung  und  Beurteilung  bestehender  Fragebögen hinsichtlich ihrer Eignung für den Einsatz in dieser Studie. In der Datenbank PubMed  wurde  eine  systematische  Literaturrecherche  durchgeführt.  Dargestellt werden Modified Baecke Questionnaire for Older Adults, Zutphen Physical Activity Questionnaire, Physical Activity Scale for the Elderly, Yale Physical Activity Survey und CHAMPS Physical Activity Questionnaire for Older Adults. Diese Fragebögen unterscheiden sich u.a. in: Art der Befragung (z.B. persönliches oder telefonisches Interview),  abgefragtes  Zeitfenster  (eine  Woche  bis  ein  Jahr),  Berücksichtigung von Alltagsaktivitäten, Form der Fragen (offen bzw. geschlossen), Ermittlung eines Gesamtscores,  Dauer  der  Erfassung  (fünf  bis  30  Minuten),  Anzahl  der  Befragten (21 bis 254 Personen), Anteil der männlichen Teilnehmer (41 bis 100%), Abstand zur Messwiederholung (zwei Wochen bis sechs Monate), eingesetztes Außenkriterium (z.B.  Tagebuchaufzeichnung,  Körperfettanteil)  und  Ergebnisse  der  Gütekriterien (Reliabilität: r =0,57 bis 0,93 und Intra-Klassen-Korrelation=0,62 bis 0,67; Validität: r =-0,13  bis  0,79).  Im  Hinblick  auf  die  dargestellten  Bewertungskriterien  für  den Einsatz  in  einer  epidemiologischen  Beobachtungsstudie  erschien  keiner  der  beschriebenen Fragebögen hinreichend geeignet, um die körperliche Aktivität älterer Erwachsener zu erfassen. Folglich sollte ein neuer Fragebogen entwickelt bzw. anhand der bestehenden Fragebögen adaptiert werden, der die körperliche Aktivität der vergangenen Woche in den Bereichen Sport, Freizeit, Haushalt und Garten mit kurzer Befragungsdauer in geschlossenen Fragen erfasst und Rückschlüsse auf den Energieverbrauch zulässt.

Schlüsselwörter: Ältere,  Epidemiologie,  Bewegung,  Methodik,  Gütekriterien, Telefoninterview.

SUMMARY

The use of questionnaires in epidemiological research is an established method for the assessment of physical activity of older adults (aged 65 years and older). Only  instruments  that  have  specifically  been  developed  and  validated  for  this particular  age  group  should  be  used.  The  aims  of  this  study  were  to  compare existing questionnaires, and to judge their suitability regarding an application in German  epidemiological  research  (within  the  “PRISCUS”  research  consortium). Five  questionnaires  were  evaluated:  Modified  Baecke  Questionnaire  for  Older Adults, Zutphen Physical Activity Questionnaire, Physical Activity Scale for the Elderly, Yale Physical Activity Survey, and CHAMPS Physical Activity Questionnaire for Older Adults. Among other things these questionnaires differ in the mode of administration  (e.g.  self-administered,  telephone  interview),  the  specified  time frame (past week-year), the requested forms of physical activity (e.g. activities of daily  life),  the  completion  time  (5-30  minutes),  and  the  quality  criteria  (retestreliability: Spearman’s r =0.57–0.93, Intra-Class-Correlation=0.62–0.67; validity: Spearman/Pearson’s r =-0.13–0.79). Considering the presented assessment criteria none of the questionnaires seems to be suitable to assess physical activity of older adults in epidemiological research in Germany (e.g. within the “PRISCUS” research consortium).

Key  Words: Aging,  epidemiology,  motor  activity,  reliability,  validity,  telephone interview.

EINLEITUNG

In  der  Bundesrepublik  Deutschland  leben  derzeit  rund  82 Millionen  Einwohner,  davon  15,9  Millionen  Personen  (19%  der Bevölkerung) im Alter von 65 Jahren und älter, deren Anteil bis zum Jahr 2050 auf voraussichtlich 24 Millionen (ca. 36% der Bevölkerung)  ansteigen  wird  (20).  Im  Hinblick  auf  den  demographischen Wandel wird es immer wichtiger, Lebensqualität, Funktionsfähigkeit  und  Selbständigkeit  älterer  Personen  über  einen möglichst langen Zeitraum zu erhalten. Der körperlichen Aktivität im Alter sind nach Meinung der Wissenschaft vielfältige positive Wirkungen im Sinne einer gesund erhaltenden Lebensweise zuzuschreiben (5, 9). Obwohl die beschriebenen positiven Effekte körperlicher Aktivität bekannt sind, existieren bisher wenige Daten  aus  Deutschland  zur  körperlichen  Aktivität  älterer  Erwachsener (11, 18).
Die  Förderung  des  Bundesministerium  für  Bildung  und  Forschung  zum  Thema  „Gesundheit  im  Alter“  ermöglichte  im  Forschungsverbund  PRISCUS  (23)  (Prerequisites  for  a  new  health care  model  for  elderly  people  with  multimorbidity)  die  Erfassung der  körperlichen  Aktivität  von  etwa  2.000  Personen  im  Alter  von 70 Jahren und älter (getABI [German epidemiological trial on ankle brachial index]-Kohorte) im Telefoninterview (6). Für diesen Einsatz wurde ein geeignetes Messinstrument gesucht.
Um  körperliche  Aktivität  in  Studien  zu  erfassen,  werden zahlreiche  direkte  (z.B.  Aktivitätsmonitore)  und  indirekte  (z.B. Fragebögen) Messmethoden eingesetzt (3, 16). Der Einsatz von direkten  Methoden  in  epidemiologischen  (Beobachtungs-)  Studien steigt  an.  Allerdings  sind  diese  Messmethoden  zurzeit  noch  sehr anfällig für Messfehler (26). Um bspw. Zusammenhänge zwischen Aktivität und Herz-Kreislauf-Erkrankungen herstellen zu können, hat sich der Einsatz von Fragebögen als indirekte Methode bewährt (12). Sie stellen eine praktikable und zweckmäßige Möglichkeit dar, körperliche Aktivität in populationsbezogenen Studien mit hoher Teilnehmerzahl zu erfassen (27).
Bislang  existierende  Fragebögen  zur  Erfassung  von  Aktivität sind zumeist auf Personen im jungen und mittleren Erwachsenenalter zugeschnitten (3, 14). Diese vernachlässigen meistens den Bereich der Alltagsaktivitäten, wie Aktivität im Haushalt oder Spaziergänge, die im Alter (z.B. ab dem Beginn der Rente) gegenüber rein sportlicher Aktivität an Bedeutung gewinnen (11, 29). Fragebögen, die für jüngere Kollektive entwickelt wurden, unterschätzen womöglich dadurch die Aktivität älterer Personen (29). Durch den Einsatz dieser Messmethoden könnte u.U. der wahre Effekt der körperlichen Aktivität älterer Erwachsener auf gesundheitsbezogene Zielgrößen aufgrund von Messfehlern, Ungenauigkeit und Verzerrungen (bias) nicht korrekt dargestellt werden. Für die Erfassung der körperlichen Aktivität älterer Erwachsener kommen demnach ausschließlich Instrumente in Frage, die die in dieser Altersgruppe ausgeübte körperliche Aktivität möglichst umfassend berücksichtigen.
In  der  epidemiologischen  Praxis  werden  sowohl  schriftliche und  persönliche  Befragungen  als  auch  Befragungen  am  Telefon durchgeführt. Jede einzelne Methode bringt sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich, die an anderer Stelle detailliert diskutiert werden (10, 15). Während in einer schriftlichen Befragung bspw. private Fragen  häufiger  beantwortet  werden  als  im  Telefoninterview,  ist sowohl die Teilnahmerate als auch die Datenqualität (z.B. weniger fehlende  Werte)  im  Telefoninterview  zumeist  höher.  Die  Befragung der getABI-Kohorte sollte im Telefoninterview durchgeführt werden. Das computergestützte telefonische Interview (CATI) gewährleistet  eine  Standardisierung  der  Befragung  und  eignet  sich als Hilfsmittel für die Datenerfassung. Die Methode CATI wird u.a. von dem European Physical Activity Surveillance System (EUPASS) für den Einsatz in Studien empfohlen.
Ziele dieser Arbeit sind 1) die vergleichende Darstellung bestehender Fragebögen zur Erfassung der körperlichen Aktivität älterer Erwachsener, 2) deren Bewertung anhand verschiedener Qualitätsmerkmale und 3) die Beurteilung hinsichtlich ihrer Eignung für den Einsatz in der getABI-Kohorte.

METHODIK

In  der  Datenbank  PubMed  (1966- 2010)  wurde  eine  Literaturrecherche  unter  Verwendung  folgender  Suchbegriffe  (Medical  Subject  Headings)  durchgeführt:  (exercise  OR  motor  activity)  AND questionnaires AND [(aged) NOT (child OR infant OR adolescent OR young adult OR middle aged)] AND (reproducibility of results). Die beschriebene Suchstrategie ergab 61 Treffer. Aus den Artikeln wurden zunächst diejenigen Studien gefiltert und ausgeschlossen, bei denen kein Fragebogen zur Erfassung der körperliche Aktivität zum Einsatz kam (n=27), die Aktivitätsfragebögen an speziellen Patientenkollektiven einsetzten und ggf. an diesen validierten (n=18) oder aus anderen Gründen nicht in die nachfolgende Analyse eingeschlossen werden konnten (z.B. Einsatz von Fragebögen für jüngere  Erwachsene  oder  Validierung  einer  internationalen  Version eines  bestehenden  englischen  Aktivitätsfragebogens;  n=14).  Mit Hilfe  der  Literaturangaben  der  gefundenen  Artikel  und  gezielter Suche nach den Namen der identifizierten Fragebögen, wurde anschließend zusätzlich nach verfügbaren Studien zur Bewertung der Gütekriterien (Retest-Reliabilität und kriterienbezogene Validität) der Fragebögen gesucht. Die Bewertung der Fragebögen wurde in Anlehnung an die Vergleichs- bzw. Bewertungskriterien zwischen Aktivitätsfragebögen nach Terwee et al. (22) durchgeführt.

ERGEBNISSE

Es  wurden  fünf  Fragebögen  gefunden,  die  sämtliche  genannten Auswahlkriterien erfüllen: Modified Baecke Questionnaire for Older Adults (ModBaecke) (28), Zutphen Physical Activity Questionnaire (Zutphen) (4, 32), Physical Activity Scale for the Elderly (PASE) (31), Yale Physical Activity Survey (YPAS) (7) und CHAMPS Physical Activity Questionnaire for Older Adults (CHAMPS) (21). Nachfolgend werden die Vergleichskriterien dargestellt.
Die Fragebögen ModBaecke, PASE, YPAS und CHAMPS sehen ein persönliches Interview vor. Für PASE gibt es zusätzlich einen Fragebogen  für  das  Telefon-Interview  und  einen  selbst  auszufüllenden Fragebogen. Zutphen ist ein ausschließlich selbst auszufüllender Fragebogen.
Das  Zeitfenster  der  erfassten  körperlichen  Aktivität  ist  für ModBaecke das vergangene Jahr, für PASE und CHAMPS eine Woche des vergangenen Monats, für YPAS der vergangene Monat und für Zutphen die vergangene Woche bzw. der vergangene Monat.
Der Bereich der Sport- und Freizeitaktivitäten wird von allen Fragebögen erfasst. Zutphen erfasst keine Tätigkeiten im Haushalt und  ModBaecke  keine  Gartenarbeit.  Nur  PASE  erfasst  berufliche körperliche Aktivität. Außer Zutphen erfassen alle Fragebögen die Art der Fortbewegung, um z.B. einkaufen zu gehen. Zutphen erfasst als einziger Fragebogen die Ruhezeit.
Die Form der Fragen ist eine Mischung aus geschlossenen und offenen Fragen. In ModBaecke werden für die Erfassung von Haushaltstätigkeiten  geschlossene,  für  Sport-  und  Freizeitaktivitäten  offene  Fragen  unter  Berücksichtigung  der  Art  der  körperlichen  Aktivität, der Häufigkeit pro Woche und der Dauer, verwendet. In PASE werden  die  allgemeinen  Fragen  zu  Freizeit-  und  Sportaktivitäten (Umfang  pro  Woche  und  Dauer)  geschlossen  gestellt,  nachfolgend die genaue Form der körperlichen Aktivität offen erfragt. YPAS fragt weitestgehend  offen.  Den  Befragten  werden  Listen  mit  Aktivitäten vorgelegt,  zu  denen  dann  jeweils  die  Anzahl  der  Stunden  pro  Woche angegeben werden. Auch die Fragen in Zutphen sind teilweise offen gestellt. In CHAMPS wird zuerst offen nach der Häufigkeit der Durchführung einer bestimmten körperlichen Aktivität pro Woche und anschließend geschlossen nach der Gesamtdauer pro Woche gefragt. Andere Aktivitäten werden teilweise dichotom erfasst, wie z.B. die Frage nach der Hausarbeit im PASE oder nach dem Treppensteigen im Zutphen, bei der durchgeführt „ja“ oder „nein“ anzugeben ist.
Die  Anzahl  der  Fragen  (null  bis  acht  Blöcke,  die  zwei  bis  41 einzelne  Fragen  beinhalten)  und  die  daraus  resultierende  Dauer der  Befragung  ( fünf  bis  30  Minuten)  variieren  zwischen  den  Fragebögen  stark.  Für  PASE  ist  eine  kurze,  wenn  auch  sehr  variable Befragungsdauer von fünf bis 20 Minuten dokumentiert. Die Erfassung der Fragen in CHAMPS dauert etwa zehn Minuten. Die anderen Fragebögen dauern länger als 20 Minuten.
Um sämtliche abgefragte körperliche Aktivität zu einem einzigen Ergebnis (Score) zusammenzufassen, bedienen sich alle Fragebögen eines Gesamtscores. Hierzu wird jeder Aktivität ein Intensitätswert  zugeordnet.  Im  Fall  von  YPAS,  Zutphen  und  CHAMPS beruht  dieser  Intensitätswert  auf  dem  vermuteten  Energieverbrauch bei der Durchführung der betreffenden körperlichen Aktivität (1, 2). ModBaecke und PASE ermitteln eine Gesamtpunktzahl (ModBaecke: Summe aus den Aktivitätsbereichen Haushalt, Sport und Freizeit mit unterschiedlicher Gewichtung, PASE: Summe aus 12 Aktivitätsteilbereichen mit unterschiedlicher Berechnung). Die Einheit der Gesamtscores der erstgenannten drei Fragebögen entspricht dem Energieverbrauch in Kilokalorien pro Tag oder Woche. Die Scores der beiden anderen Fragebögen ModBaecke und PASE sind einheitenlos.
Die  Ergebnisse  zur  Bewertung  der  Gütekriterien  zeigen  ein uneinheitliches Bild. Die Korrelationen zur Retest-Reliabilität der Fragebögen  variieren  deutlich  (Spearman’s  r =0,57  bis  0,93  bzw. Intra-Klassen-Korrelation  [ICC] =0,62  bis  0,67);  ebenso  der  Abstand  zur  Messwiederholung  (zwei  Wochen  bis  sechs  Monate), die Anzahl der Befragten (21 bis 254 Personen) und der Anteil der männlichen Teilnehmer (41 bis 100%). Die Korrelationen zur kriterienbezogenen  Validität  mit  unterschiedlichen  Außenkriterien (u.a.  Tagebuchaufzeichnungen,  Schrittzahl,  subjektiver  Gesundheitszustand,  Ruheherzfrequenz,  Energieverbrauch,  motorische Funktionsfähigkeit,  Ausdauerleistungsfähigkeit,  Körperfettanteil) zeigten  negative  bis  positive  Werte  (Spearman’s  bzw.  Pearson’s r =- 0,13 bis 0,79) und wurden an 21 bis 249 Personen mit einem Männeranteil von 45 bis 100% überprüft.

DISKUSSION

Die  Unterschiede  der  Fragebögen  ModBaecke,  Zutphen,  PASE, YPAS und CHAMPS, die Eignung für den Einsatz in einer epidemiologischen Beobachtungsstudie wie getABI und die Frage, welche Kriterien  bei  der  Entwicklung  eines  neuen  Fragebogens  beachtet werden sollten, werden im Folgenden diskutiert.
Für den Einsatz in getABI sollte die Erfassung von körperlicher Aktivität  im  Telefoninterview  möglich  sein.  Von  den  hier  dargestellten Fragebögen kann ausschließlich PASE im Telefoninterview angewandt  werden.  Da  die  anderen  Fragebögen  ggf.  für  den  Einsatz im Telefoninterview adaptiert werden könnten, werden diese im Folgenden dennoch weiterhin betrachtet.
Bei der Auswahl des Zeitfensters der zu erfassenden zurückliegenden  körperlichen  Aktivität  gibt  es  keine  allgemeingültige Empfehlung (8, 22), sondern es ist vor allem die Fragestellung der jeweiligen Studie zu berücksichtigen. Soll habituelle Aktivität abgefragt werden, könnte ModBaecke zum Einsatz kommen. Eher aktuelle Aktivität erfassen YPAS, PASE, Zutphen und CHAMPS. In der getABI-Kohorte sollte die aktuelle Aktivität erfasst werden, da diese als Merkmal zur Beschreibung der augenblicklichen Gesamtsituation des älteren Erwachsenen beiträgt. Hierzu zählt nicht nur die Beschreibung von medizinischen Parametern (z.B. Erkrankungen), sondern  auch  weiteren  Merkmalen,  die  die  aktuelle  Lebenssituation  des  älteren  Erwachsenen  beschreiben  (z.B.  Sturzrisiko,  soziale Kontakte, Funktionalität, Lebensqualität). Durch die Erfassung der aktuellen körperlichen Aktivität sollten Zusammenhänge zwischen der aktuellen Lebenssituation und dem Aktivitätsverhalten kongruent dargestellt werden können.
Aufgrund der Veränderung des Aktivitätsverhaltens gegenüber jüngeren Personen sollten die erfassten Bereiche der körperlichen Aktivität sowohl sportliche Aktivität als auch jene im Haushalt, im Garten und in der Freizeit umfassen. PASE und Zutphen erfassen nicht alle diese Bereiche.
Bei der Dauer der Befragung und der Anzahl der Fragen sollte eine  kurze,  möglichst  präzise  Erfassung  der  körperlichen  Aktivität angestrebt werden, um diese dadurch problemlos in die Fragebogenbatterie  von  epidemiologischen  Studien  integrieren  zu  können  und die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer im Ganzen nicht unnötig lange zu belasten. Die Dauer der hier diskutierten Fragebögen erscheint lediglich für CHAMPS (zehn Minuten) und u.U. PASE ( fünf bis 20 Minuten) für solch einen epidemiologischen Rahmen akzeptabel.
Bei der Wahl der Form der Fragen haben geschlossene Fragen den Vorteil einer standardisierten Vorgehensweise und einer einfachen Auswertung. Die Verwendung von offenen Fragen hat u.a. den zentralen Nachteil, dass die Auswertung (z.B. Kodierung) mit einem immensen Aufwand verbunden ist (17). Da in getABI etwa 2.000 Personen befragt werden sollten, sollte der eingesetzte Aktivitätsfragebogen ausschließlich geschlossene Fragen beinhalten.
Für  eine  zusammenfassende  Auswertung  des  Aktivitätsverhaltens  in  einem  Gesamtscore  ermöglichen  YPAS,  Zutphen  und CHAMPS  eine  Darstellung  des  Gesamtenergieverbrauchs.  Hierzu  muss  zur  Bildung  einer  Einheit  jeder  körperlichen  Aktivität ein  Intensitätswert  zugeordnet  werden.  Um  Studien  miteinander vergleichbar  zu  machen,  wäre  eine  einheitliche  Zuteilung  von Intensitäten  zu  Formen  der  körperlichen  Aktivität  in  der  Einheit des „metabolischen Äquivalents“, z.B. nach dem Kompendium von Ainsworth et al. (2), wünschenswert. Dies legen YPAS, Zutphen und CHAMPS zugrunde.
Durch die unterschiedlich langen Abstände zwischen Test und Retest kann das Ergebnis beeinflusst werden (13, 29). Ein kurzer Abstand zwischen Test und Retest erhöht dabei unter Umständen die Retest-Reliabilität, weil die Erinnerung der Studienteilnehmerinnen und  -teilnehmer  an  die  Fragen  und  Antworten  des  (ersten)  Tests das  Ergebnis  des  (zweiten)  Retests  beeinflussen  kann.  Bei  größeren Abständen zwischen Test und Retest ist dies eher zu vernachlässigen. Dabei bleibt unklar, ob eine geringere Retest-Reliabilität entsteht, weil die Wiederholbarkeit der Messung nur eingeschränkt möglich ist oder weil eine tatsächliche Veränderung des Aktivitätsverhaltens  zwischen  den  Erhebungszeitpunkten  vorliegt.  Hierbei ist  anzumerken,  dass  Korrelationsberechnungen  nach  Spearman oder Pearson keine adäquate Methode zur Bewertung der RetestReliabilität sind, da diese systematische Abweichungen zwischen zwei Erhebungszeitpunkten ignorieren und ausschließlich die Assoziation zweier Merkmale beschreiben (24). Eine geeignete Maßzahl ist der ICC (19). Diese Maßzahl wurde ausschließlich bei der Überprüfung der Reliabilität des CHAMPS verwendet. Für die Neuentwicklung eines Fragebogens kann für die Ermittlung der RetestReliabilität eine Wiederholung der Befragung nach etwa vier Wochen empfohlen werden. Dies geschieht unter der Annahme, dass die Erinnerung an die Antworten der ersten Befragung erloschen ist, aber gleichzeitig das Aktivitätsverhalten nach diesem Zeitraum nicht maßgeblich verändert wurde. Zur Absicherung sollte bei der wiederholten Befragung ggf. abgefragt werden, ob spezielle Ereignisse (z.B. Sturz, Krankheit, Urlaub) das Aktivitätsverhalten aktuell stark beeinflussen. Falls dies zutrifft, könnten diese Personen aus der Reliabilitätsanalyse ausgeschlossen werden. Als Maß der Übereinstimmung sollte der ICC genutzt werden.
Zur  Ermittlung  der  kriterienbezogenen  Validität  wurden weitreichende  direkte  und  indirekte  Messmethoden  als  Kriterium  verwendet.  Nur  ModBaecke,  YPAS  und  Zutphen  wurden  mit direkten  Methoden  (Tagebuchaufzeichnungen,  Schrittzähler,  Beschleunigungsmessung, Energieverbrauchsmessung) validiert. Für PASE  und  CHAMPS  wurden  indirekte  Methoden  (maximale  und submaximale  Maße  der  körperlichen  Leistungsfähigkeit,  Körperfettanteil, pulmonale Vitalkapazität) genutzt. Die Wahl indirekter Methoden  zur  Ermittlung  der  kriterienbezogenen  Validität  eines Fragebogens gerade für diese Altersgruppe ist allerdings kritisch zu sehen, da die Anzahl älterer Personen, die hoch-intensive Aktivität (z.B.  Ausdauertraining)  durchführen,  im  Allgemeinen  sehr  gering ist (11). Die hoch-intensiven Arten der körperlichen Aktivität sind aber diejenigen, die diese indirekten Messungen im Wesentlichen beeinflussen (29). Demnach erscheint eine Überprüfung der kriterienbezogenen  Validität  mit  direkten  Messmethoden  (z.B.  durch Beschleunigungsmessung) wünschenswerter (7, 28, 32). Prinzipiell zeigte  sich  außerdem,  dass  die  Bewertung  der  Gütekriterien  an einer sehr geringen Teilnehmerzahl durchgeführt wurde. Die Entwickler des PASE bspw. raten selber dazu, die Gütekriterien ihres Fragebogens erneut an einem größeren Kollektiv zu bewerten (29), welches  im  Idealfall  aus  zufällig  gewählten  Personen  bestehen sollte (30). Forsén et al. (8) raten zu einer Überprüfung der Gütekriterien an mindestens 50 Probanden.
Aufgrund  der  beschriebenen  Ergebnisse  und  Diskussion  erschien keiner der hier vorgestellten Fragebögen in seiner Originalfassung geeignet, um die körperliche Aktivität von älteren Personen im Rahmen des PRISCUS-Verbundes in der großen deutschen epidemiologischen Studie getABI zu erfassen. Folglich sollte ein neuer Fragebogen entwickelt bzw. anhand der bestehenden Fragebögen adaptiert werden, der im telefonischen Interview die aktuelle körperliche Aktivität der vergangenen Woche in den Bereichen Sport, Freizeit,  Haushalt  und  Garten  mit  kurzer  Befragungsdauer  in  geschlossenen Fragen erfasst und Rückschlüsse auf den Energieverbrauch  in  MET  zulässt.  Der  Fragebogen  sollte  nach  seiner  Entwicklung an mindestens 50 Probanden auf seine Retest-Reliabilität mittels ICC geprüft und durch den Einsatz einer direkten Methode zur  objektiven  Bewertung  des  Energieverbrauchs  als  Außenkriterium validiert werden (25). Es kann somit durch den Einsatz eines altersspezifischen Fragebogens eine präzisere Messung der körperlichen  Aktivität  als  bisher  erfolgen  und  ggf.  eine  Verstärkung  der bereits existierenden Evidenz erwartet werden.

Finanzierung
Die Studie wird im Rahmen des Forschungsverbundes „PRISCUS“ gefördert  durch  das  Bundesministerium  für  Bildung  und  Forschung, Förderkennzeichen 01ET0720.

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Korrespondenzadresse:
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Ruhr-Universität Bochum
Fakultät für Sportwissenschaft
Lehrstuhl für Sportmedizin und Sporternährung
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