Kardiale Device-Therapie und Sport – Was darf der Patient mit Herzschrittmacher/Defibrillator?
ZUSAMMENFASSUNG
Bei Herzschrittmacher- und ICD-Trägern mit struktureller Herzerkrankung hängt die körperliche Belastbarkeit von Art und Schweregrad dieser Grunderkrankung ab. Bei ICD-Patienten sollte zusätzlich die Indikationsstellung (primär- vs. sekundärprophylaktisch) und die Induzierbarkeit von Arrhythmien durch körperliche Belastung berücksichtigt werden. Herzschrittmacherträger ohne strukturelle Herzerkrankung können sich nach individueller Austestung auch hohen körperlichen Belastungen aussetzen, während dies für ICD-Patienten wegen des höheren Risikos einer Eigen- und Fremdgefährdung nicht gilt. Sportliche Aktivitäten, die die mechanische Integrität von Aggregat oder Elektroden kompromittieren (z.B. Kontaktsportarten), sind grundsätzlich ungeeignet.
EINLEITUNG
Vor allem bei jüngeren Patienten mit elektrisch aktiven, kardialen Implantaten (Devices) stellt sich häufig die Frage, welche sportliche Aktivität mit welcher Intensität noch erlaubt ist. Leitlinienempfehlungen der Fachgesellschaften leisten im individuellen Fall nur eingeschränkte Hilfe. Wettkampfsport hat sich demnach bei Herzschrittmacherträgern auf geringe statische und höchstens mäßiggradige dynamische Aktivitäten zu beschränken (5). ICD-Träger werden je nach Leitlinienpapier entweder wie Schrittmacherpatienten behandelt (5), oder auf Wettkampfsport mit niedrigem Beanspruchungsniveau (z.B. Kegeln, Golf, Boule, Billiard) verwiesen (2, 4). Bezüglich freizeitsportlicher Aktivitäten sind die Empfehlungen weitgehend unklar. Obwohl für Schrittmacher- und ICD-Träger allgemein die Grenze bei Aktivitäten mit geringer bis mäßiggradiger Belastung gezogen wird (1, 2), belegt die exemplarische Nennung von Sportarten mit höherem Beanspruchungsniveau (z.B. Tennis, Fußball, Basketball, Schwimmen) (1, 2), dass hier Ausnahmen möglich sind. Eine individualisierte Patientenberatung sollte Art und Schweregrad der Grunderkrankung zum Ausgangspunkt der Empfehlungen machen.
HERZSCHRITTMACHER-TRÄGER
a) Mit struktureller Herzerkrankung.
Je ein Drittel aller Herzschrittmacherpatienten weisen eine koronare Herzkrankheit (KHK) bzw. eine linksventrikuläre systolische Dysfunktion auf. Bei Schrittmacherpatienten mit unvollständig revaskularisierter KHK oder eingeschränkter Pumpfunktion besteht ein enger Korridor für die hämodynamisch optimale Herzfrequenz unter Belastung. Frequenzadaptive Schrittmachersysteme dürfen nur vorsichtig und erst nach individueller Austestung genutzt werden. Die maximal erzielte Sensorfrequenz muss unterhalb der Ischämieschwelle liegen (3).
b) Ohne strukturelle Herzerkrankung.
Zwei Fünftel aller Schrittmacherpatienten weisen weder eine eingeschränkte systolische Funktion noch eine Herzinsuffizienzsymptomatik auf. Es ist sachlich nicht gerechtfertigt, dem beschwerdefrei Sport treibenden Schrittmacherträger hohe Belastungsintensitäten zu verbieten, sofern im sportartspezifischen Intensitätsbereich eine regelrechte Schrittmacherfunktion mit adäquatem Herzfrequenzanstieg vorliegt und keine Arrhythmien auftreten. Zum Nachweis der Belastbarkeit auf hohem Intensitätsniveau sollte neben einer symptomlimitierten Ergometrie auch eine EKG-Registrierung während der Sportausübung erfolgen. Damit lassen sich unter Ruhebedingungen latente Schrittmacherfehlfunktionen wie das Undersensing von intrakardialen Potentialen oder das Oversensing von Muskel- oder Fernpotentialen aufdecken und Fehlprogrammierungen vermeiden, die zur Beeinträchtigung der Herzfrequenzregulation führen können. Außerdem können belastungsinduzierte tachykarde Rhythmusstörungen ausgeschlossen werden, die oft mit der die Schrittmacherindikation begründenden Bradykardie assoziiert sind (z.B. paroxysmales Vorhofflimmern). Vor allem bei körperlich aktiven Schrittmacherpatienten sollte durch entsprechende Auswahl und Programmierung des Schrittmachersystems ein adäquater Herzfrequenzanstieg unter Belastungsbedingungen ermöglicht werden. Erlaubt die zugrunde liegende bradykarde Rhythmusstörung keinen belastungsadäquaten Anstieg der Herzfrequenz („chronotrope Inkompetenz“), müssen sensorgesteuerte frequenzadaptive Herzschrittmacher die Herzfrequenzsteuerung unter Belastung übernehmen. Auswahl und Programmierung des Sensors sollen bei sportlich aktiven Schrittmacherpatienten so erfolgen, dass eine dem metabolischen Bedarf angepasste Stimulationsfrequenz erzeugt wird (3).
ICD-TRÄGER
Im Vergleich zu Schrittmacherpatienten (Durchschnittsalter bei Implantation 75 Jahre, 52% Männer) sind ICD-Träger jünger (61 Jahre) und häufiger männlichen Geschlechts (80%). Häufig liegt eine schwere strukturelle Herzerkrankung, meist eine KHK (65%, Myokardinfarkt bei 53%) oder eine dilatative Kardiomyopathie (19%), vor. Ein Drittel aller ICD-Patienten weist eine schwere linksventrikuläre Dysfunktion mit einer EF < 30% auf. Jeweils ca. 2% aller ICD-Implantationen entfallen auf die hypertrophische Kardiomyopathie und die arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie. Bei etwa 4% aller Patienten findet sich keine pathoanatomisch definierte strukturelle Herzerkrankung. Die ICD-Implantation erfolgt in diesen Fällen wegen einer primären Arrhythmie. Dazu gehören neben dem idiopathischen primären Kammerflimmern die genetisch bedingten Ionenkanalerkrankungen (Long-QT-Syndrom, Brugada-Syndrom, katecholaminerge polymorphe Kammertachykardie (CPVT)). Etwa ein Fünftel aller ICD-Patienten weist keine relevante linksventrikuläre Dysfunktion (EF > 50%) und keine Herzinsuffizienzsymptomatik (NYHA-Stadium I) auf (3).
Körperliche Aktivität ist ein Triggerfaktor für Arrhythmien und ICD-Entladungen (4), wobei Art und Schwere der Grunderkrankung sowie die individuelle Arrhythmieanamnese stark das Risiko einer belastungsinduzierten Tachyarrhythmie modifizieren. Das eine Extrem stellen Erkrankungen wie das Long-QT-Syndrom und die CPVT dar, bei denen körperliche Aktivität der wichtigste Auslöser der Arrhythmie ist und daher bis auf Belastungen geringer Intensität zu reduzieren ist. Auf der anderen Seite ist das Risiko einer belastungsinduzierten Tachyarrhythmie bei einem beschwerdefreien Patienten mit dilatativer Kardiomyopathie, der aus primärprophylaktischer Indikation einen ICD erhalten hat, so gering, dass im Einzelfall auch freizeitsportliche Aktivitäten von moderatem und hohem Belastungsniveau (Laufen, Fahrradfahren, Schwimmen) gestattet werden können. Inadäquate Schockabgaben infolge Sinustachykardie sind selten (1%) und können prinzipiell durch eine an das Aktivitätsniveau des Patienten angepasste Programmierung der Interventionsfrequenz des ICD minimiert werden. Auch eine Eigenkontrolle der Pulsfrequenz durch den Patienten während körperlicher Belastung ist sinnvoll, um ein Belastungsniveau im Bereich der Interventionsfrequenz des Aggregates zu vermeiden. Grundsätzlich kann infolge der belastungsinduzierten Katecholaminausschüttung die Defibrillationsschwelle bei hochintensiven körperlichen Belastungen ansteigen (4). Das Versagen der ICDTherapie unter körperlicher Belastung ist aber offenbar ein ebenso seltenes Ereignis wie schwere körperliche Verletzungen infolge einer arrhythmie- oder therapiebezogenen Bewusstseinsstörung (3).
Traumatische oder physikalische Schädigung der Sonden
Bei einseitiger hoher Belastung der oberen Extremität können Schrittmacher- und Defibrillatorsonden in ihrem Verlauf zwischen erster Rippe und Schlüsselbein traumatisch geschädigt werden. Betroffen sind v.a. Sportarten mit repetitiver hoher Belastung des Schultergürtels wie Gewichtheben, Golf-, Tennisspielen. Das Risiko einer traumatischen Elektrodenschädigung lässt sich durch eine individuell angepasste Wahl der Implantationsseite und die Implantationstechnik (Zugang über die V. cephalica statt über die V. subclavia; falls V. subclavia-Zugang nicht vermeidbar ist, lateral punktieren) reduzieren. Sportarten, bei denen eine direkte Schlageinwirkung auf den Brustkorb obligat ist (alle Kampfsportarten, American Football, Rugby, Eishockey), sollten von Device-Patienten nicht ausgeübt werden. Bei Sportarten mit gering erhöhtem Risiko einer traumatischen Schädigung des Schrittmachersystems (Fussball, Basketball, Baseball, Softball) kann die Anwendung von Protektoren erwogen werden. Ein Zustand nach Schrittmacherimplantation gilt als relative Kontraindikation zum Tauchen. Bei guter kardiopulmonaler Leistungsfähigkeit kann eine eingeschränkte Tauchtauglichkeit bestehen. Zu beachten ist, dass die maximal zulässige Druckbelastung des gesamten Schrittmachersystems, bestehend aus Aggregat und Elektroden, je nach Hersteller zwischen 150 und 690 kPa variiert. Dies entspricht einer maximalen Tauchtiefe zwischen 5 und 60 m. Piezo-gesteuerte Aktivitätssensoren mit Ausnahme von Akzelerometern müssen beim Tauchen meist inaktiviert werden, da sie durch erhöhten hydrostatischen Druck fehlgesteuert werden.
FAZIT
- Sportliche Aktivitäten, die die mechanische Integrität von Aggregat oder Elektroden kompromittieren (z.B. Kontaktsportarten), sind ungeeignet.
- Herzschrittmacherträger ohne strukturelle Herzerkrankung und mit adäquatem Frequenzverhalten und regelrechter Schrittmacherfunktion unter Belastung unterliegen über Punkt 1 hinaus keiner Einschränkung der sportlichen Belastbarkeit. Auch Wettkampfsport mit hoher Belastungsintensität kann ausgeübt werden.
- Sonderfall Tauchsport: Herzschrittmacherträger ohne strukturelle Herzerkrankung mit guter kardiopulmonaler Leistungsfähigkeit besitzen eine eingeschränkte Tauchtauglichkeit, die durch die mechanische Druckbelastbarkeit des Schrittmachersystems limitiert wird. Patienten mit ICD besitzen grundsätzlich keine Tauchtauglichkeit.
- ICD-Träger sollten auch bei strukturell unauffälligem Herzen und kompletter Beschwerdefreiheit keine wettkampfsportliche Aktivität mit hoher dynamischer oder mäßiggradig bis hoher statischer Beanspruchung ausüben. Die Eignung nichtkompetitiver sportlicher Aktivitäten muss in Abhängigkeit vom Arrhythmietyp (Induzierbarkeit durch körperliche Aktivität?) individuell beurteilt werden. Aktivitäten, bei denen ein plötzlicher Bewußtseinsverlust mit einer hohen Eigen- oder Fremdgefährdung verbunden ist, kommen für ICD-Patienten grundsätzlich nicht in Frage.
- Bei Herzschrittmacher- und ICD-Trägern mit struktureller Herzerkrankung hängt die körperliche Belastbarkeit von der Art und dem Schweregrad dieser Grunderkrankung ab. Bei ICD-Patienten sollte zusätzlich die Indikationsstellung (primär- vs. sekundärprophylaktisch) und die Induzierbarkeit von Arrhythmien durch körperliche Belastung berücksichtigt werden.
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LITERATUR
- Recommendations for participation in leisure-time physical activityand competitive sports in patients with arrhythmias and potentiallyarrhythmogenic conditions. Part I: Supraventricular arrhythmias andpacemakers. Eur J Cardiovasc Prev Rehabil 13 (2006) 475-484.
- Recommendations forparticipation in leisure-time physical activity and competitive sports inpatients with arrhythmias and potentially arrhythmogenic conditions.Part II: Ventricular arrhythmias, channelopathies and implantable defbrillators. Eur J Cardiovasc Prev Rehabil 13 (2006) 676-686.
- Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit von Patientenmit Herzschrittmacher und implantiertem Kardioverter/Defirillator(ICD), in Kindermann W, Dickhuth H-H, Niess A, Röcker K, Urhausen A(Hrsg.): Sportkardiologie. SteinkopffVerlag, Darmstadt, 2007, 273-287.
- 36th Bethesda Conference: Eligibility recommendations for competitive athletes with cardiovascular abnormalities. JAm Coll Cardiol 45 (2005) 1313-1375.
- Recommendations forcompetitive sports participation in athletes with cardiovascular disease. Eur Heart J 26 (2005) 1422-1445.
PD Dr. med. Michael Kindermann
Universitätsklinikum des Saarlandes
Klinik für Innere Medizin III
Kardiologie, Angiologie, Internistische Intensivmedizin
Kirrberger Straße
66421 Homburg/Saar
E-Mail: Michael.Kindermann@T-Online.de