Sportmedizin
EDITORIAL

Gut oder böse? Fairness und neue Dilemmata im Anti-Doping-Kampf

Good or Bad? Fairness and new Dilemma in Anti-Doping Fight

Wenn man die Anti-Doping-Diskussionen des letzten Jahres verfolgt, die zunehmend von Skandalisierungen und entsprechend unsachlichen Diskussionsbeiträgen geprägt werden, ist die Behandlung der grundlegenden ethisch-moralischen Fragen wichtig für die Sportmedizin und den Sport.
Was ist richtig oder falsch, was ist unfair? In in einem aktuellen Urteil des Court of Arbitration for Sport (CAS) kann man lesen „the Panel does not agree with the athlete`s contention that the standard of proof must be very close to „proof without reasonable doubt“ ... The standard of proof beyond reasonable doubt is typically a criminal law standard that finds no application in anti-doping cases“ (CAS 2009/A/1912 und 1913). Der CAS verwehrte die Einführung von Beweismitteln und die Benennung von Gutachtern, u.a. mit Bezug auf den CAS-Code „no new evidence“ und Ablauf von Fristen. Was sind diese prozeduralen Standards? Was dürfen Anti-Doping-Organisationen wegen dem unbestritten richtigen und weithin akzeptierten Ziel, das Doping zu bekämpfen, für Mittel und Zwecke einsetzen?
Der Anti-Doping-Code der World Anti-Doping-Organisation (WADA) und die daraus abgeleiteten Regeln wie auch der CAS sind Privatrecht, dem jeder Athlet und Funktionär individuell vor der Teilnahme an Wettkämpfen zustimmen, das aber auch Bestandteil der Verbandssatzungen und Verbands-Anti-Dopingregeln sein muss. Die primäre Entscheidungshoheit hat die zuständige Anti-DopingOrganisation (Internationaler Sportverband), sie bestimmt im AntiDoping-Verfahren die Mittel und auch die Entscheidungen, immer aber in Übereinstimmung mit dem WADA-Code.
Das Sportrecht hat den Vorteil, dass Verfahren sehr viel einfacher, schneller und unkomplizierter sind, verliert man aber dadurch an Rechtsstaatlichkeit? Kann ein 2-stufiges Sanktionsverfahren mit dem Anti-Doping-Panel der Anti-Doping-Organisation (des Sportverbandes) und dem CAS als Berufungsbehörde von drei Richtern als reines Schiedsverfahren ausreichen oder muss es nicht mit der Entwicklung komplizierter Test- und Nachweisverfahren weiter entwickelt werden, z.B. mit einer Erweiterung der Panels u.a. Einführung von spezialisierten Experten? Oder braucht man noch eine weitere Berufungsinstanz, oder was ist mit der prozeduralen Rolle der Sportverbände?
Hier stellt sich nicht die Frage, ob Doping gerechtfertigt sein kann, nein, für den Sportmediziner ist eine entschiedene Anti-Doping-Haltung die wichtigste Basis für die Tätigkeit im Sport! Wir unterstützen die grundlegenden Ziele des WADA-Codes, für Sportler einen anti-dopingfreien Sport zu gewährleisten und dadurch Gesundheit, Fairness und Chancengleichheit zu gewährleisten sowie die Regeln und Proceduren für den Anti-Doping-Kampf zu verbessern, zu harmonisieren und weiterzuentwickeln.
Primär war Doping das Vorhandensein von unzulässigen Substanzen im Körper und die Anti-Doping-Sperre war die Konsequenz des unrechtmäßigen Zustandes, der u.a. einen Wettbewerbsvorteil generiert. Dieser Vorteil wurde durch eine Sperre verhindert und sozusagen der vorherige Zustand des fairen Sports wieder hergestellt. Der Vorteil dieses Verfahrens ist, dass nicht die Frage nach Schuld beantwortet werden muss, sondern nur das Vorhanden- oder Nichtvorhandensein der Substanz entscheidet. Die weitgehende Ausklammerung der Frage der Schuld erlaubt es, die (erste) Sperre nur nach den Prinzipien der Fairness im Sport als pauschale Schutzsperre auszusprechen.
Diese Definitionen von Doping haben aber nicht ausgereicht und so wurden weitere Definitionen erarbeitet, insbesondere weil es klar wurde, dass auch Methoden wie Bluttransfusionen Doping sind. Zentral ist hier die Frage der Vereinbarkeit mit dem Geist des Sports und damit einer Unfairness und der Gesundheitsgefährdung, zusätzlich die Frage von natürlichen und unnatürlichen Maßnahmen. Dies zeigt sich an der Frage Höhentraining, das erlaubt ist, Sauerstoffsprays aber nicht. Höhenhäuser waren ebenfalls in der Diskussion, werden aber derzeit als erlaubt angesehen. Welche medizinische Behandlungen sind legitim, was ist eine gute medizinische Praxis? Auch die indirekten Nachweisverfahren werden komplizierter, siehe Blutpass oder demnächst auch der Verdacht auf Gen-Doping. Einhergehend mit der Erweiterung der Doping-Definition sind damit eine Vielzahl von Regeln und Codes geschaffen worden, die mittlerweile ein eigenes sportjuristisches Rechtssystem generieren.
Es ist ein schwieriges Unterfangen, Dopingverstöße nachzuweisen und alle haben Interesse daran, dass dies weiter möglich ist. Für die Akzeptanz ist aber auch wichtig, dass das zugrunde liegende private Rechtssystem des Sports fair und angemessen bleibt, das Vertrauen seiner „stakeholders“, also der Gesamtheit des Sports erhält und sich auch in einer komplizierteren Welt der Nachweismethoden und der Manipulationsversuche weiterentwickelt.
Wir haben schmerzhaft gelernt, dass wir nicht bei jeder sportlichen Leistung Doping ausschließen können, aber wir müssen auch lernen, dass nicht jeder Verdacht automatisch Doping beweist.
Ich lade Sie zu einem Diskurs über solche sportethischen Fragen in dieser Zeitschrift ein, schicken Sie uns Ihre Beiträge dazu.

LITERATUR

  1. Bette KH Doping im Leistungssport – zwischen individueller Schuld und kollektiver Verantwortung. Dtsch Z Sportmed 59 (2008) 5-11.
  2. Gabriel H Ethik und Sportmedizin. Dtsch Z Sportmed 58 (2007) 381- 382.
  3. Steinacker JM, Kindermann W Unser Anti-Dopingsystem muss einfacher und besser werden. Dtsch Z Sportmed 58 (2007) 151-152.
  4. Morgan W Fair is fair, or is it? A Moral Consideration of the Doping wars in American Sport. Sport in Society 9 (2006) 177-198.
  5. Tamburrini C Are Doping Sanctions Justified? A Moral relativistic View. In: Schneider AJ, F Hon (eds) Doping in Sport. Global Ethic Isssues. London New York, Routledge 2007, pp 23-35.