Die „Spezialtherapie“ des Sportlers
"Special Therapy" for the Athlete
Gerade im Bereich des Leistungs- und Hochleistungssportes werden die behandelnden Ärzte mit der Situation konfrontiert, möglichst frühzeitig nach einer Verletzung eine Rückführung zum Sport zu ermöglichen. Die Erwartung des Sportlers und seines Umfeldes an den betreuenden Sportmediziner ist hoch. Es wird davon ausgegangen, dass diejenigen Therapiemaßnahmen eingesetzt werden, die eine schnellstmögliche Heilung gewährleisten. Neben den konventionellen bzw. schulmedizinischen Therapiemaßnahmen (1) werden auch Alternativmethoden eingesetzt und von vielen Sportlern auch erwartet bzw. akzeptiert, da durch derartige zusätzliche Therapieformen eine beschleunigte Wiederherstellung der sportlichen Leistungsfähigkeit vorausgesetzt wird. Als erfolgreicher und guter Sportarzt wird häufig derjenige eingeschätzt, der zusätzlich zu den „bekannten“ Therapiemethoden noch eine „Geheimwaffe“ im Repertoire hat, um die Heilung zu beschleunigen. Der Sportler fühlt sich bevorzugt behandelt, was natürlich auch zu einem noch intensiveren Arzt-Patienten-Verhältnis führt.
Betrachtet man allerdings die Studienlage, so findet man in den meisten Fällen zwar einen den konventionellen Methoden gleichwertigen Erfolg alternativer Therapiemethoden (4, 5), eine Überlegenheit kann in wissenschaftlich haltbaren Studien jedoch nur in einzelnen Publikationen nachgewiesen werden (2). Probleme in der Durchführung derartiger Studien finden sich in mehreren Bereichen. Patientenkollektive, die sich nach einer Sportverletzung für konservative Therapiemaßnahmen anbieten, werden üblicherweise nicht in universitären oder anderen wissenschaftlichen Einrichtungen dauerhaft behandelt. Sie werden in den meisten Fällen nach der Akutbehandlung im nahegelegenen Krankenhaus von niedergelassenen Kollegen weiterbehandelt. Die Überlegung, durch Multicenterstudien wissenschaftliche Einrichtungen mit praktizierenden niedergelassenen Kollegen zu verbinden, ist geeignet, derartige Studien durchzuführen, lässt sich aber doch häufig nur schwer umsetzen. Das Hauptproblem liegt jedoch sicherlich in der Tatsache, dass die in den Studien festgelegten Zielgrößen wie Schwellung, Schmerz oder auch Zeitpunkt der Rückkehr zum Sport von zahlreichen teilweise individuell sehr unterschiedlich ausgeprägten Faktoren abhängen und der zu erwartende Einfluß der zu untersuchenden Intervention so gering wird, dass er auf Signifikanzniveau statistisch fast nicht mehr nachzuweisen ist. Daneben ist es auch schwierig, Kontrollkollektive zu gewinnen, die den wissenschaftlichen Ansprüchen genügen. Auch die Meßinstrumente, die uns zur Verfügung stehen, sind in vielen Fällen nicht in der Lage, die zu erwartenden Veränderungen exakt genug bestimmen zu können.
Was bleibt sind Therapieempfehlungen, die im wesentlichen auf den Erfahrungswerten der behandelnden Sportärzte basieren. Für den behandelnden Sportarzt ergibt sich nun das Problem, aus der Fülle der möglichen Therapieverfahren das geeignete auszuwählen. Ohne den wissenschaftlichen Nachweis einer therapeutischen Wirksamkeit ist hier Zurückhaltung empfehlenswert. Daneben besteht natürlich auch die Gefahr, dass durch das die Heilung beschleunigende „Therapieangebot“ eine Dopingmentalität des Sportlers gefördert werden kann. Auch unter diesem Aspekt sollten die empfohlenen und eingesetzten Methoden überdacht werden.
Derartige Empfehlungen gelten selbstverständlich auch für operative Therapiemaßnahmen. Bei vielen „neu entwickelten“ operativen Methoden finden wir zu Beginn eine relativ rasche Ausweitung des Spektrums der Operationsindikationen, bevor nach Vorliegen wissenschaftlicher Studien, die zur Beurteilung der Wirksamkeit operativer Prozeduren eingesetzt werden, ein „gut geeignetes“ Patientenkollektiv definiert werden kann.
Ein Artikel des vorliegenden Heftes beschäftigt sich mit Ergebnissen der Hüftarthroskopie, einem Verfahren, das in den letzten Jahren eine zunehmende Verbreitung in der operativen Orthopädie und Unfallchirurgie gefunden hat. Auch bei dieser Operationsmethode, die auch gerade bei sportlich aktiven Menschen zur Reparatur von Labrumschäden oder knöchernen Impingementproblemen (Femoroacetabuläres Impingement – FAI) zum Einsatz kommt, wird durch Studien belegt, dass die Erfolgsquoten limitiert sein können. Insbesondere das Ausmaß der zum Zeitpunkt der Arthroskopie vorliegenden Knorpelschädigung ist entscheidend für das Ergebnis. Je ausgeprägter Knorpelschäden am Hüftgelenk vorliegen, desto schlechter sind die Resultate (3). Sicherlich hat sich die Hüftarthroskopie als eine operative Methode entwickelt, die bei einer intraartikulären Pathologie mit relativ geringem Gelenktrauma eingesetzt werden kann und bei guter Indikation auch zu guten Ergebnissen führt.
Sowohl konservative als auch operative Therapiemaßnahmen, deren Wirksamkeit fraglich ist oder noch nicht in Studien belegt ist, sollten auch bei der Behandlung von Leistungs- oder Hochleistungssportlern mit Zurückhaltung eingesetzt werden. Ein „etwas weniger“ ist in vielen Fällen besser als „ein zuviel“.
LITERATUR
- Some conservative strategies are effective when added to controlled mobilization with external support after acute ankle sprain: a systematic review. Aust J Physioter. 54 (2008) 7 - 20.
- Homeopathic medicines for adverse effects of cancer treatment. Cochrane Database Syst Rev 2009 Apr 15; CD004845.
- What factors influence long-term survivorship after hip arthroscopy? Clin Orthop Relat Res 2010 Sep 25.
- A homeopathic ointment preparation compared with 1 % diclofenac gel for acute symptomatic treatment of tendinopathy. Explore (NY) 1 (2005) 446 – 452.
- The role of a homeopathic preparation compared with conventional therapy in the treatment of injuries: an observational cohort study. Complement Ther Med 16 (2008) 22 – 27.